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Richter lassen
Observation zu

Mutmaßlicher Islamist unterliegt

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Nordrhein-Westfalens Polizei darf während der Fußball-Weltmeisterschaft weiterhin mutmaßliche Islamisten rund um die Uhr beschatten. Das hat das Verwaltungsgericht Münster in einem Eilverfahren entschieden.
Innenminister Ingo Wolf (FDP) lässt mutmaßliche Islamisten überwachen.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte angeordnet, mutmaßliche Gefährder bis zum Endspiel nicht aus den Augen zu lassen, um möglichen Anschlägen vorzubeugen. Grundlage ist das Landespolizeigesetz. Es erlaubt in Paragraph 16 die langfristige Observation von Menschen, bei denen »Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen«.
Ein von der Kripo Münster überwachter Mann aus Beckum (Kreis Warendorf) hatte beim Verwaltungsgericht Münster beantragt, die Observation per einstweiliger Anordnung zu untersagen. Das Gericht lehnte den Antrag ab. Auf die Schnelle könne nicht geklärt werden, ob die Maßnahme der Polizei zulässig oder rechtswidrig sei, schrieben die Richter in ihrem Beschluss. Denn die Frage, ob der Observierte durch »Tatsachen« belastet werde, lasse sich nicht im Eilverfahren klären. Die Richter wägten deshalb ab zwischen der möglichen Gefährdung der Allgemeinheit durch einen eventuellen Terroranschlag und dem vorübergehenden Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers. Sie entschieden zu Lasten des Mannes. Dieser kann nun die Rechtmäßigkeit der Observation in einem Hauptsacheverfahren klären lassen, was aber Monate dauern wird.
Auch der mutmaßliche Islamist Usama A. (39) aus Porta Westfalica, der am 12. September wegen Volksverhetzung in Minden vor Gericht steht, will die Rund-um-die-Uhr-Überwachung nicht länger hinnehmen. Sein Anwalt Dr. Franz Amadeus Dombrowski hat bereits den Gang zum Verwaltungsgericht Minden angekündigt: »Ich sehe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt«, sagte er. Usama A. erklärte, seine Frau und seine Kinder litten sehr unter der ständigen Polizeipräsenz.
Der deutsche Staatsangehörige Ahmad C. (46), Vorsitzender der »Islamischen Gemeinschaft Minden«, steht ebenfalls auf der Observationsliste des Innenministeriums. »Gegen mich gibt es nicht einmal ein Ermittlungsverfahren. Ich wüsste nur zu gerne, durch welche angeblichen Tatsachen man mich in die Nähe von Terroristen rückt«, sagt der Werkzeugmacher gestern. »Angesichts der ständigen Präsenz von bis zu vier Zivilwagen glaubt mir doch kein Nachbar mehr, dass ich ein friedfertiger Mensch bin«, erklärte Ahmad C. Seine achtjährige Tochter habe sich bereits in der Schule anhören müssen, ihr Vater sei ein Mörder.
Mit Hinweis auf Geheimhaltungspflichten wollten weder das NRW-Innenministerium noch der Staatsschutz der Bielefelder Polizei sagen, durch welche Fakten die beiden Männer belastet werden. VG Münster, Az.: 1 L 438/06

Artikel vom 27.06.2006