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Deutschland - ein Fußballmärchen

5:3 nach Elfmeterschießen: DFB-Asse auch von Argentinien nicht zu bremsen

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Berlin (WB). Als Argentinien in Begriff war, das deutsche WM-Märchen für beendet zu erklären, hat Miroslav Klose gerade noch rechtzeitig zurückgeschlagen und so seinem Torwart Jens Lehmann die spätere Gelegenheit gegeben, zum Helden des Viertelfinals zu werden.

»Wir sind überglücklich«, jubelte der Bremer Stürmer, der zehn Minuten vor Schluss mit seinem fünften WM-Treffer der DFB-Auswahl die Verlängerung bescherte. Die war aber nur der 30 Minuten währende Anlauf zum finalen Elfmeterschießen. Hier übernahm dann Lehmann die Hauptrolle und entschied mit seinen Paraden das wogende Spiel.
Zuvor hatte Ruben Ayala Schockwellen durch Deutschland geschickt, als er in der 49. Minute das 1:0 erzielte. Aber die nie nachlassende DFB-Auswahl wurde für ihre Beharrlichkeit belohnt, mit der sie gegen das Aus ankämpfte. »Wir haben immer daran geglaubt, dass wir zurückkommen«, sagte Jürgen Klinsmann und gab zum Erstaunen aller an, nicht einmal gezittert zu haben, als die Uhr im Berliner Olympiastadion gnadenlos heruntertickte. »Der Rückstand war kein Problem. Er hat uns keine Sorgen bereitet«, erklärte der Bundestrainer betont cool. Aber ganz ehrlich: Wer Klinsmann beobachtete, wie er sich oft am Rande der Coaching Zone aufhielt und total mitfieberte, durfte durchaus annehmen, dass auch ihm der Ernst der Lage bewusst war.
Hinterher konnte er dann entspannte Miene zum spannenden Spiel machen: »Wir sind von dieser Mannschaft überzeugt und stolz darauf, was sie auch heute wieder geleistet hat. Und ich glaube auch, wir waren die bessere Mannschaft.« Zu einem anderen Urteil kam der von Klinsmann sehr geschätzte José Pekerman: »Wir hatten die Deutschen gut im Griff und die Kontrolle über das Spiel. Aber daraus allein lässt sich natürlich kein Sieg machen«, stellte der Trainer fest.
Zu ihrer Bewunderung für die hohe Ballschule der »Albiceleste« hatten der Bundestrainer und sein Assistent Joachim Löw auch vor dem Viertelfinale gestanden. Und bei aller Siegesgewissheit wusste das deutsche Duo genau, was auf sein Team zukommen würde: ein harter, schwerer Nachmittag.
Gleich die ersten Minuten machten deutlich, dass die Südamerikaner überhaupt nicht gewillt waren, nur ein weiterer Skalp am Gürtel des Gastgebers zu sein. Der wiederum wich ebensowenig zurück. Sofort setzte ein zähes Ringen um jeden Zentimeter Raumgewinn und um den einen, vielleicht entscheidenden Vorteil ein.
Daher kam es, dass Lubos Michel seine Pfeife schon früh wegen Instrumentenverschleiß hätte wechseln können. Der Slowake verteilte eine Fülle von Freistößen. Bis zur Pause waren es 25, am Ende 55. Torchancen gab es kaum. Beide Abwehrreihen leisteten ganze Arbeit. Außerdem wurde schon im Mittelfeld viel abgefangen. Hier lieferte der Bremer Torsten Frings eine absolute Weltklassevorstellung ab, während sich Kapitän Michael Ballack, offenkundig angeschlagen und von Krämpfen geplagt, zum Schluss über die Runden schleppen musste.
Alle zusammen hielten durch. Dabei durfte sich der Bünder David Odonkor zu Gute halten, maßgeblich daran beteiligt gewesen zu sein, dass dieses Turnier für Deutschland und ihn weitergeht. Mit einem Flankenwechsel über das ganze Feld leitete der Joker den Ausgleich ein. Ballack nahm den Ball an, schlug ihn auf Tim Borowski, der wiederum seinen Bremer Teamgefährten Klose bediente. Im Fluge köpfte er ein. Auch Argentiniens Treffer war durch einen Kopfball entstanden; Roman Riquelme hatte ihn per Ecke aufgelegt. Sonst blieb der hochgerühmte Regisseur blass und wurde ausgewechselt. »Er war müde«, sagte Pekerman zu dieser Entscheidung. Das waren nach dieser Partie auch alle anderen.

Artikel vom 01.07.2006