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Rhythmus im
Ratssaal geben
Trommeln vor

Tanzen an Stelle von Diskussionen

Von Burgit Hörttrich und
Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Vor fünf Tagen wurde an selber Stelle noch über bedeutungsschwere Dinge wie den Ergebnisabführungsvertrag oder das Technische Dienstleistungszentrum diskutiert - gestern dröhnten im Ratssaal die afrikanischen Trommeln. In der politischen Sommerpause hat das Bielefelder Tanzfestival das Rathaus »übernommen«.

Tchekpo Dan Agbetou, der gemeinsam mit seiner Frau Ulla Agbetou für den künstlerischen Part des Tanzfestivals zuständig ist, ist froh, dass es sowohl James Carlès, der Modern Dance unterrichtet, und Dominique Lisette, Hip Hop-Lehrer aus Guadeloupe, rechtzeitig geschafft haben. Beide reisten aus Frankreich an, ihre Züge hatten wegen der Unwetter stundenlange Verspätungen auf dem Weg nach Bielefeld.
Während Kames Carlès sich im Rochdale-Raum, dem alten Ratssaal, noch warm macht, hat seine Assistentin Valerie bereits mit dem Unterricht angefangen. Gedacht ist der Kurs für Fortgeschrittene und die drängen sich auf dem eigens ausgelegten Tanzboden. »Die meisten Workshops sind ausgebucht,« freut sich Brigitte Brand, Leiter des veranstaltenden Kulturamtes. Speziell Hip Hop, so ergänzt Agbetou, sei mit 150 Teilnehmern in allen Kursen »überaus beliebt«.
Es sei nicht allein die Freude am Tanz allein, die die Teilnehmer - vom Anfänger bis zum Profi - in die Workshops locke, sondern vor allem die Art der Dozenten, ihnen ihren Tanz zu vermitteln. Mehr als die Hälfte der Choreographen ist schon mindestens einmal Dozent des Tanzfestivals gewesen, aber es sind auch immer wieder neue Lehrer zu Gast.
So wie Clément Assémian von der Elfenbeinküste, der in seiner mitreißenden Art auch die Teilnehmer in Bewegung bringt, die sich selbst auf dem »Niveau 0« einstufen. Am Ende der ersten 90 Minuten wirken sie schon wie Könner. Sprachbarrieren scheint es nirgendwo zu geben - selbst wenn »Unterrichtssprache« Französisch oder gar eine afrikanische Sprache ist: Die Bewegungen erzählen, was die Schüler wissen müssen.
Unterrichtet wird Samba und Jazz Dance, Klassisches Ballett und Tap Dance, Hip Hop und Contemporary. Und kreativer Kinder-Jazztanz.
Lehrerin im Rzészów-Raum in der dritten Etage des Neuen Rathauses ist Ulla Agbetou. Spielerisch lernen Jamima, Sabrina, Hanna und Eva, ihren natürlichen Bewegungsdrang kreativ zu nutzen. Ulla Agbetou schafft es immer nach einer Woche, dass die Kinder eine kleine Choreographie beherrschen, die der erste Kurs dann in der »Brasilianischen Nacht« am 1. Juli auf dem Rathausplatz, der zweite Kurs beim Finale des Tanzfestivals am 8. Juli in der Stadthalle zeigen. Ulla Agbetou: »Das wollen die Kinder unbedingt.« In allen Sitzungsräumen und Sälen, die zurzeit allerdings Studios heißen, stehen große Spiegelwände, in denen die Tänzer ihre Fortschritte verfolgen können. Besonders begehrt allerdings: kalte Getränke. Denn der Schweiß fließt in Strömen. Gleichzeitig mit den Workshops gastieren europäische Tanztheater in Bielefeld Am Mittwoch, 28. Juni, 20.30 Uhr, ist im Theaterlabor Tor 6 die »Zitluhina Dance Company« aus Lettland zu erleben. gezeigt wird die Choreographie »And again about the same«. Die Zuschauer, platziert in einem dämmrigen, von Kerzenlicht beleuchteten Raum, erleben Tanz und Musik, die die Liebe beschreiben.

Artikel vom 27.06.2006