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Müde, genervt, unzufrieden - die erste Zeit zu dritt ist nicht immer leicht für Paare. Es gibt viel zu bereden.Josef van Lay und Astrid Holz versuchen, Paare in ihrer neuen Lebenssituation zu unterstützen.Foto: Ellen Grundmann

»Die erste Zeit zu dritt« -
nichts bleibt, wie es war

Pro Familia warnt Paare: Hausbau + Baby = Beziehungskrise

Bielefeld/Bünde (WB/eg). »Hurra - wir bekommen ein Baby!« Die Freude angesichts dieses bevorstehenden Ereignisses ist riesengroß. Doch besteht die Familie erst einmal aus Mama, Papa und Kind, können Probleme auftreten. Nichts ist mehr wie es war. »Die erste Zeit zu dritt« heißt das Beratungsangebot, mit dem ProFamilia Paaren helfen möchte, diese schwierige Situation zu meistern - und zwar gemeinsam.
»Wir haben festgestellt, dass vermehrt junge Eltern zu uns kommen, die Paarprobleme haben, deren Beziehung auf dem Spiel steht«, berichtet Astrid Holz, Paar- und Familienberaterin bei ProFamilia. Das größte Problem sei die Veränderung des Alltags. »Die Ressourcen werden knapp: weniger Geld, weniger Zeit, weniger Energie.«
Dabei stelle der Rückfall in die klassische Rollenverteilung einen wesentlichen Aspekt dar. Die Frau kümmert sich allein um den Haushalt, die Bestätigung durch den Beruf entfällt, und der Mann verdient das Geld, um die Familie zu ernähren. Auch die finanzielle Abhängigkeit macht vielen Frauen zu schaffen. »Mehr als 60 Prozent der Frauen sind enttäuscht, dass sie zu wenig Zeit für sich selbst haben«, weist Astrid Holz auf eine aktuelle Studie hin.
Die Frau fühlt sich zudem mit den alltäglichen Sorgen im Stich gelassen. »Sie wartet abends darauf, dass der Mann endlich von der Arbeit nach Hause kommt, um sie zu unterstützen. Der Mann wiederum wünscht sich nach dem Feierabend die heile Familie«, bringt Astrid Holz die Ansprüche auf den Punkt. »Kommt der Mann unangekündigt dann eine Stunde später von der Arbeit, ist das reinster Sprengstoff!« Es kommt zum Streit. »Darum ist es wichtig, den Partner in Entscheidungen miteinzubeziehen. Auch wenn es um Überstunden geht. Der Kommunikationsbedarf ist immens groß!«, betont Astrid Holz.
»Auch das Anforderungsprofil an den Mann hat sich verändert«, weiß Josef van Lay, Sozialarbeiter bei ProFamilia, zu berichten. Die Verantwortung und der Erwartungsdruck sind enorm gewachsen. »Es gibt viel zu verhandeln für die Paare«, sind sich die beiden Berater einig. Sinnvoll ist es, schriftlich aufzulisten, wer welche Aufgaben übernimmt und wer worauf verzichtet. So haben ungerechtfertigte Vorwürfe keine Chance. Schon einige wenige Termine bei ProFamilia genügen, um die Krise zu entschärfen. Die Mitarbeiter sind bemüht, den Paaren klarzumachen, dass ihre Krise struktureller Natur ist und keinesfalls ursächlich vom Partner ausgeht.
Die Paare sollten sich auch von dem Gedanken verabschieden, dass alles perfekt sein muss: die Mutter, der Vater und natürlich das Kind.
So verhält es sich auch mit dem Wunsch nach einem Eigenheim mit Garten. »Ein kleines Kind kann auch ohne eigenen Garten glücklich sein«, warnt Astrid Holz vor diesem Idealbild von der jungen Familie im schmucken Eigenheim. Hausbau und Kind, das ist der Supergau«, meint die Beraterin. Wir erleben häufig, dass die Paare auseinandergehen, wenn das Haus endlich fertig ist, berichtet die Expertin für Krisensituationen. Ähnlich kribbelig sei die Lage, hat sich der Partner beruflich gerade selbstständig gemacht und ein Kind kündigt sich an.
Um sich als Paar nicht verlorenzugehen, müssen die Eltern sich Freiräume schaffen. Am besten Babysitter im Freundeskreis organisieren, die sich um den Familienzuwachs kümmern, damit man mal etwas alleine unternehmen kann. »Wir weisen in unserer Schwangerschaftsberatung auf mögliche Probleme hin, aber präventiv ist da kaum etwas zu machen«, weiß Astrid Holz. »Die Leute können sich das vorher nicht vorstellen. Wichtig ist, sich immer wieder vor Augen zu halten: »Es kommen wieder einfachere Zeiten!«

Die ProFamilia-Beratungsstelle Bielefeld, Stapenhorststraße 5, ist unter (0521) 12 40 73 erreichbar. Beratungszeiten ohne Terminabsprache werden montags und donnerstags von 9 bis 11 Uhr, sowie montags, dienstags und mittwochs von 16 bis 19 Uhr abgeboten. Die Beratungsstelle in Bünde, Brüderstaße 6, ist unter (05223) 99 22 23 zu erreichen. Hier wird Beratung ohne Terminabsprache montags und freitags von 9.30 bis 11.30 Uhr, dienstags und donnerstags von 15.30 bis 17.30 Uhr angeboten.

Artikel vom 14.07.2006