27.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Erst der Wettbewerb bringt Bewegung

Reinhard Mohn, erfolgreicher Unternehmer und gesellschaftlicher Reformator, wird 85

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh (WB). Es klingt nach »Kapitalismus pur«, was Reinhard Mohn vor zehn Jahren zum eigenen 75. Geburtstag als sein Credo formuliert hat: »Ich bin überzeugt, dass die Kraft, die am meisten bewegt, nicht die Erkenntnis ist, sondern der Wettbewerb.« Doch wie immer bei Mohn muss man auf jedes Wort achten: Wettbewerb ist nicht das Ziel, sondern »nur« die stärkste Kraft, die Menschen bewegt.

Reinhard Mohn hat in Gütersloh aus einem mittleren, nach dem Krieg fast völlig zerstörten Verlag einen der fünf weltgrößten Medienkonzerne geformt - und zugleich das zehntgrößte private Unternehmen in Deutschland. Das allein ist ein Riesenwerk, über das schon manches interessante Buch geschrieben wurde. Doch Mohn, der an diesem Donnerstag seinen 85. Geburtstag feiert, hat einen höheren Anspruch: Die bei Bertelsmann entwickelte Art der Unternehmensführung soll Modell sein für andere nicht nur in Wirtschaft, sondern auch in Politik und anderen Bereichen der Gesellschaft.
Kern der besonderen Unternehmenskultur ist die Orientierung an Leistung. Jeder soll die gleiche Chance haben, aufzusteigen. Und er soll am Gewinn beteiligt werden -ĂŠeine Bestimmung, die dem Bertelsmann-Chef vor Jahrzehnten nebenbei den Namen »der rote Mohn« eingebracht hat.
Gut ist Mohn zufolge ein Führungsstil, der den Managern nicht nur Verantwortung zuschiebt, sondern ihnen auch Freiheit lässt - sogar die Freiheit, einen Fehler zu machen. Damit die Arbeitnehmer unterm Strich das Richtige tun, müssen sie auf einem Informationsstand gehalten werden, der sie spüren lässt, dass sie partnerschaftlicher Teil des Unternehmens sind. Ein gutes Betriebsklima gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für Erfolg.
Wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz ist, dass sich Erfolge nicht nur im Portemonnaie des Unternehmers widerspiegeln. Hier hat Mohn mit der Gründung der Bertelsmann-Stiftung, die mit dem größten Teil der Konzerngewinne gesellschaftlich relevante Forschungen und Aktivitäten finanziert, leuchtende Zeichen gesetzt. Zur Rolle der Eigentümer-Familie gibt es eher Widersprüchliches aus seiner Feder. Die einstmals sehr kritische Haltung wurde unter dem Einfluss des »drohenden« Börsengangs und vielleicht auch seiner Ehefrau Liz inzwischen korrigiert. Die Familie hat nun den Auftrag, die besondere Unternehmenskultur gegen kurzfristige Kapitalansprüche abzusichern.
Entsprechend seiner eigenen Doktrin, nach der man mit 60 zu alt ist für Vorstandsarbeit, hat sich Reinhard Mohn früh aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Trotzdem behielt er die Fäden in der Hand, wie unter anderem die nicht ganz freiwilligen Abgänge von Manfred Fischer und Thomas Middelhoff bei der AG und Mark Wössner in der Stiftung zeigen. Inzwischen aber scheint er ganz auf Ehefrau Liz zu bauen.
Die Gelegenheiten, bei denen sich Reinhard Mohn in der Öffentlichkeit zeigt, sind selten geworden. Dazu mag auch Thomas Schulers Buch »Die Mohns« beigetragen haben, in dem der Journalist vor zwei Jahren Details aus dem Privatleben »enthüllte«.
Einen Termin lässt Mohn jedoch bislang nie aus: die Verleihung des Carl-Bertelsmann-Preises. Darin manifestiert sich sein Anspruch, in die Gesellschaft hineinzuwirken, und das Credo, dass der Wettbewerb die treibende Kraft ist.
Reinhard Mohn feiert eine Woche nach dem 65. Geburtstag von Liz seinen 85. in Gütersloh im, wie es heißt, engsten Familienkreis.

Artikel vom 27.06.2006