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Figo: »Verlassen uns
auf mentale Stärke«

Niederländer wünschen Portugal viel Glück

Von Wolfgang Wotke
Harsewinkel-Marienfeld (WB). Portugals Mega-Star Luís Figo (33) gab sich gestern auf der Pressekonferenz in Marienfeld von seiner coolsten Seite. Unrasiert und die Schirmmütze verkehrt auf seinem Kopf zeigte er sich vor dem Viertelfinalspiel gegen England selbstbewusst: »Wir wollen nicht leiden, wir wollen leiden lassen.«

Damit meinte der Mittelfeldspieler wohl den schweren Weg der Heimfahrt nach dieser WM-Partie. »Ich bin sicher, dass wir weiter kommen. Wir verlassen uns auf unsere mentale Stärke«, erklärte Figo. Und wenn es in das Elfmeterschießen geht? »Da sind wir gut vorbereitet. Wir haben gute Schützen. Selbst unser Torwart Ricardo ist nicht nur ein Elfmeter-Killer, sondern auch er kann, ohne Nerven zu zeigen, eiskalt verwandeln.«
Costinha, der gestern ebenfalls am Mikrofon im Pressezelt saß, sah man an, dass er immer noch ein wenig an seiner Gelb-Roten Karte aus dem Spiel gegen die Niederlande zu knabbern hat. »Ich bin sehr traurig, dass ich die Mannschaft so früh im Stich lassen musste. Gegen England hätte ich gerne gespielt. Aber das lässt sich leider nicht mehr ändern.« Trotzdem sei er sicher, dass er bei dieser Weltmeisterschaft noch einmal zum Zuge kommen werde. »Keine Angst, wir kommen in die nächste Runde«, sagte er.
Die Portugiesen fühlten sich in den vergangenen Tagen ungerecht behandelt. Gegen die Sperre von Deco wurde bei der FIFA ohne Erfolg Protest eingelegt. Die Kritik der Niederländer nach dem »Skandalspiel« mit vier Gelb-Roten Karten und vor allem an Figo berührt Trainer Luiz Felipe Scolari immer noch: »Figo ist nicht Jesus Christus, aber er war korrekter als die Holländer«, sagte der beliebte Coach. Inzwischen haben sich die Wogen wieder geglättet, denn die »Oranjes« haben den Portugiesen ein Fax ins Hotel nach Marienfeld geschickt: »Wir wünschen euch alles Gute. Die stärkere Mannschaft hat gewonnen.«
Immer wieder loben die Spieler die Art von Scolari, mit Menschen umzugehen. Auch Figo und Costinha sind von ihrem sportlichen Chef begeistert: »Er ist ein Gewinnertyp und reißt uns mit.« Dass er sein Team vor der Öffentlichkeit und den fast 200 Journalisten in Marienfeld abschottet, sei verständlich. Schließlich gehe es hier nicht um einen »Li-La-Lu-Cup«, sondern um die Fußballweltmeisterschaft. Scolari will Erfolg und deshalb braucht er Ruhe. In seiner Heimat nennt man ihn »den Preußen«, weil er für brasilianische Verhältnisse ungewohnt viel Wert auf Disziplin legt. Das beweist er auch dieses Mal.

Artikel vom 30.06.2006