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Höhere Steuern für Gesundheit

16 bis 24 Milliarden Euro sollen ins Krankenversicherungssystem fließen

Berlin (Reuters/dpa). Das Gesundheitswesen soll künftig zu einem Teil über Steuern finanziert werden. Auf die Bürger kommen damit weitere Steuererhöhungen zu.
Ungeklärt ist noch, welche Abgaben für das Gesundheitswesen herangezogen werden und in welchen Schritten die Erhöhung kommen soll. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte gestern eine Summe zwischen 16 und 24 Milliarden Euro, die zur Finanzierung familienpolitischer Leistungen der Krankenkassen über Steuern aufgewendet werden könnten. Die in der SPD diskutierte Höhe von 45 Milliarden Euro aus dem Steuertopf ist vom Tisch.
Auch die privaten Krankenkassen sollen in die Reform einbezogen werden, beim Gesundheitsfonds aber außen vor bleiben. »Die Privaten werden mitmachen«, sagte Schmidt. Die Steuerfinanzierung sei sinnvoll, um damit familienpolitische Leistungen zu bezahlen, »die nicht ursächlich etwas mit Krankheit zu tun haben«.
Es sei richtig, alle Bürger an der Finanzierung eines guten Gesundheitswesens zu beteiligen. »Dazu wollen wir einen Teil über Steuern finanzieren, damit wir das Ganze auf eine breitere Basis stellen können«, meinte die SPD-Politikerin. Die Finanzierung der beitragsfreien Kindermitversicherung über Steuern, wie es die Union fordert, koste 16 Milliarden Euro. Alle familienpolitischen Maßnahmen zusammen ergäben einen Betrag von 24 Milliarden Euro. »Das ist der Spielraum, über den wir reden«, sagte Schmidt.
Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller nannte diese Spanne. 24 Milliarden seien aber zu viel, betonte er.
CSU-Generalsekretär Markus Söder erklärte, für seine Partei seien 16 Milliarden Euro die absolute Schmerzgrenze. Das Finanzministerium wurde von den Koalitionsspitzen beauftragt, bis zur entscheidenden Sitzung am nächsten Sonntag Varianten durchzurechnen. »Anhand der Vorschläge muss dann entschieden werden«, sagte Zöller.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und weitere Koalitionsvertreter schlossen aus, dass die Mehrwertsteuer nach dem Sprung zum 1.1. 2007 auf 19 Prozent nochmals erhöht wird. Auch ein Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, im Vordergrund stünden die direkten Steuern. Der Minister bleibe dabei, dass im Gegenzug für die stärkere Steuerfinanzierung die Ausgaben wie auch die Beiträge gesenkt werden müssten. Die Spitzen der Koalition hatten am Sonntagabend erneut verhandelt und sich in den Hauptstreitpunkten angenähert.
Zöller sagte, die schrittweise steigende Steuerfinanzierung müsse ein langfristiges Programm sein. »Ich gehe davon aus, dass 2008/2009 damit begonnen wird.« Als wahrscheinlich gilt ein Stufenplan bis zum Jahr 2010. Über den Zeitraum und die einzelnen Schritte ist noch nicht entschieden worden.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte es offen, ob in diesem Jahrzehnt überhaupt Steuergelder freigesetzt werden könnten. Söder nannte als frühesten Termin 2009.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb erneut dafür, über Steuern die Kindermitversicherung zu finanzieren. Es gehe aber auf gar keinen Fall darum, »dem Bürger in die Tasche zu greifen«. Es müssten Wege gefunden werden, wie die Gesundheitskosten stärker von den Arbeitskosten abgekoppelt werden könnten.
Zur Rolle der privaten Krankenkassen sagte Schmidt, diese sollten künftig jeden aufnehmen müssen. Zöller schränkte allerdings ein, zunächst sollten diejenigen ohne Gesundheitsprüfung bei privaten Kassen angenommen werden, die wegen ihrer Einkommenshöhe wechseln könnten. Einigen ist der Wechsel derzeit wegen bestimmter Vorerkrankungen verwehrt. Zudem will die Koalition laut Zöller ermöglichen, dass Privatversicherte durch die Mitnahme ihrer Altersrückstellungen ihre Versicherung wechseln könnten. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 27.06.2006