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Riquelme hat
eine schwere
Last zu tragen

Maradona guckt ganz genau hin

Von Jens Brinkmeier
Bielefeld (WB). Seit den Zeiten des großen Diego Armando Maradona ist die Nummer 10 eine besondere im argentinischen Fußball. Den Druck, in die Fußstapfen des Weltmeisters von 1986 treten zu müssen, hat nun Juan Román Riquelme auszuhalten.

Bei seiner ersten WM ist der seit Samstag 28-Jährige der Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Albiceleste. Ähnlich wie Maradona muss auch Riquelme keine defensiven Aufgaben übernehmen und kann sich ganz auf die Offensive konzentrieren. Gleich in der ersten Partie gegen die Elfenbeinküste (2:1) zeigte der Spielmacher des spanischen Klubs FC Villareal seine Qualitäten: Er setzte mit tödlichen Pässen die gefährlichen Angreifer Hernan Crespo und Javier Saviola in Szene.
Riquelme, der in San Fernando geboren wurde, hat sein Fußball-Handwerk bei den Argentinos Juniors gelernt, ehe er sechs Jahre bei den Boca Juniors spielte. Dort gewann der 1,82 Meter große Regisseur den Weltpokal (2000) und wurde 2001 in seiner Heimat Fußballer des Jahres. Die erste Station in Europa war ab Juli 2002 der FC Barcelona. Damit hat Riquelme die gleichen drei Stationen durchlaufen wie damals Maradona.
Ähnlich allerdings wie »El Diego« 20 Jahre zuvor wurde auch sein Nachfolger in der spanischen Metropole nicht glücklich. Allerdings hatte die aktuelle Nummer 10 der Gauchos auch keinen guten Zeitpunkt erwischt, denn vor vier Jahren gab es viele Probleme bei den Katalanen. Deshalb ging Riquelme nach nur einem Jahr zum Provinzverein FC Villareal, den er in diesem Jahr ins Halbfinale der Champions League führte. Dort war Schluss gegen Arsenal London - auch weil der 28-Jährige mit einem Elfmeter an Jens Lehmann scheiterte.
»Ich muss mich wohlfühlen und brauche immer jemanden, der mir auf die Schulter klopft«, gesteht der sensible Spielgestalter. So einen Trainer hat er in Nationalcoach José Pekerman gefunden. Die beiden kennen sich seit Jahren und haben schon einige gemeinsame Erfolge gefeiert, als Pekerman mit diversen Jugendnationalmannschaften Titel in Serie gewann. So zum Beispiel die U 20-WM im Jahr 1997. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Riquelme gilt als Lieblingsschüler des Übungsleiters und wird so oft gelobt wie kein anderer Akteur.
Vor der WM trug Juan Román Riquelme bei Spielen der Nationalelf die Nummer 8. Das hat Pekerman jetzt geändert. Bei der Kadervorstellung im Mai wurde der Coach als erstes gefragt, wer denn Maradonas Nummer bekomme. »Die 10 wird Riquelme tragen«, sagte Pekerman und machte seinen Alleinherrscher im Mittelfeld damit glücklich und stolz.
Die 10 zu tragen, sei das Schönste, was ihm passieren konnte, sagte der 28-Jährige und lächelte. Das ist schon verwunderlich, denn Riquelme sieht höchst selten fröhlich aus. Der gefährliche Freistoßschütze lacht fast nie und ähnelt seinem Trainer in dieser Hinsicht sehr. Beide sind zudem eher stille Typen.
Einen Tag vor dem ersten WM-Sieg Argentiniens 1978 - 3:1 im Endspiel gegen Holland - kam Riquelme auf die Welt, jetzt ist es für den Zehner an der Zeit, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen. In der Heimat nörgelten einige Medien schon, die Albiceleste sei von ihrem Spielmacher zu sehr abhängig.
Wie einige andere vor und nach ihm ist auch Riquelme von Maradona persönlich zum legitimen Nachfolger des »Größten« ausgerufen worden. Der Druck ist riesig, eigentlich kann nur der WM-Titel die Erlösung bringen. Argentiniens Nummer 10 kann ein entscheidender Faktor sein.
»Es war immer mein Traum, bei einer WM zu spielen. Nun bin ich hier und sehr glücklich«, sagt Riquelme. Allerdings kann der Traum bereits am Freitag vorbei sein, wenn es im Berliner Viertelfinale gegen Deutschland geht.
Wahrscheinlich wird Torsten Frings dazu bestimmt sein, die Kreise des argentinischen Regisseurs einzuengen. Das mag der nicht gerade als Laufwunder bekannte Gaucho nicht sonderlich.
Im fünften WM-Duell zwischen Argentinien und Deutschland wird auch Diego Maradona wieder auf der Tribüne sitzen und seinen Nachfolger anfeuern. Sollte den Südamerikanern der Einzug ins Halbfinale gelingen, könnte Juan Román Riquelme seinem Idol einen Schritt näher kommen.

Artikel vom 28.06.2006