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Neue Lerninhalte als »Anreiz«

Zurück in die Zukunft: VfB Fichte richtet seinen Fußball »moderner« aus


Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Mit der Spielzeit 1997/98 war es beim VfB Fichte stetig bergauf gegangen. Der Landesligameisterschaft folgte drei Serien später der Verbandsligatitel (2000/01). In der Amateur-Oberliga stach besonders die imposante Saison 2003/04 heraus, die den VfB Fichte unter Mario Ermisch mit 57 Punkten auf Platz vier sah. »Danach allerdings«, relativiert Trainer Sven Moning, »war ein über Jahre schleichender Rückwärtstrend zu beobachten«.
Insofern versucht Moning dem inzwischen erfolgten Absturz des VfB Fichte in Liga fünf irgendwie eine positive Seite abzugewinnen. »Raus mit den alten Kamellen. Wir sollten dies als Chance zur Veränderung verstehen und uns der Herausforderung stellen, die Entwicklung nachhaltig zu stoppen, den Klub für die Zukunft neu auszurichten«. Seine Zauberformel zum gestrigen Trainingsauftakt: Motivationsanreize schaffen durch neue Lerninhalte. Der geplante Umbruch falle in der neuen Spielklasse leichter als in der Oberliga, erklärt Moning. Der VfB Fichte müsse wieder »lernen, selbst das Spiel zu gestalten und zu beeinflussen. Das konnten wir ja gar nicht. Wir hatten ja schon Schwierigkeiten, Bezirksligamannschaften auszuspielen«.
Zurück in die Zukunft, mit dem direkten Wiederaufstieg als Zielvorgabe vor Augen: Als gravierendste Neuerung der Moderne hat Moning die Einführung der Vierer-Abwehrkette angekündigt. Gleiches Vorhaben hatte Mario Ermisch in der Vergangenheit auch schon mal angedacht, nach kurzer Zeit aber entnervt aufgegeben. Die Ursache dafür dürfte bei den Rußheide-Protagonisten zu finden sein, denn in Ermischs Theesener Zeit klappte die Viererkette reibungslos.
Sven Moning wird aber nicht locker lassen und kündigt gnadenlos an: »Da gehe ich nicht von ab. Wir ziehen das durch. Und wenn wir alle Testspiele verlieren - ich denke da nicht ergebnisorientiert«. Kompromissbereitschaft signalisiert er lediglich für kommenden Sonntag (2.7.), wenn um 17 Uhr Erstligist DSC Arminia im Stadion Rußheide seine Visitenkarte abgibt. »Angesichts der Kürze der Einspielzeit probieren wir es da vielleicht nur in der ersten halben Stunde. Alles andere wäre wohl zu gewagt«. Sieben Wochen Zeit zum Experimentieren bleibt dem Coach. Was die Herausforderung angesichts der Titelträume so unberechenbar erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass die Blocks, Aydins und Co. ihr gesamtes Fußballerdasein bislang im 3:5:2-System verharrten. Schon kurios: André Möller ist der einzige, der über entsprechende Viererketten-Erfahrungswerte verfügt.
Die Viererkette wird - bei erfolgreicher Inkarnation - den bislang vollführten Fußball Marke VfB Fichte durch den Wolf drehen. Sven Moning meint zu spüren, dass seine Spieler »gerne gewillt« seien, Lernerfahrungen zu machen. Angefangen bei Torhüter Yorck Bergenthal, dem »neuen Libero«. Güven Aydin wird übrigens nicht in der Viererkette positioniert; mit ihm plant Moning als »Sechser« im zentralen defensiven Mittelfeld.
Die Führung im aktuell 20 Mann starken Kader soll zudem auf mehrere Schultern verteilt werden. In Abstimmung mit Jens Reitemeier wird der in der neuen Saison nicht mehr die Kapitänsbinde tragen. »Über kurz oder lang muss es einen Generationswechsel geben«, erläutert Moning diese Maßnahme, die »Sinn« mache.
Ob der VfB Fichte künftig das 4:4:2- oder doch das 4:2:3:1-System favorisiert, hängt davon ab, inwieweit die Rückkehr Pierre Nguindjells vom SC Verl zum VfB Fichte noch realisiert werden kann. »Die Dinge sind im Fluss. Mario Ermisch ist im Urlaub, nach seiner Rückkehr wird alles geregelt«, bleibt Marketing-Geschäftsführer Dirk Starke zuversichtlich, dass Moning (»Pierre kann den Ball halten und wieder zurück spielen. Das konnten Belombo, Mainka oder Özdemir nicht«) seinen Wunschstürmer erhält.
Der neue Stil des VfB Fichte verlangt konsequentes, konzentriertes Pressing. Schlummert nur einer, droht dem Kollektiv Ungemach. Der Trainer hofft, dass die Lernprozesse nicht zu lange andauern. Im Oktober, November soll der VfB Fichte die Viererkette aus dem eff-eff beherrschen. Unkt Sven Moning: »Es wird sicher Rückschläge geben. Die Frage ist dann: Wie ruhig und souverän stehen wir das durch?«

Artikel vom 28.06.2006