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Wieviel Frau verträgt der Fußball?

Der ewige Kicker-Kampf um Harmonie zwischen Hormonen und Hochleistungen

Von Oliver Kreth
München (WB). Zwei Tage ist Deutschland eine fußball-freie Zone. 48 Stunden rollt kein Leder durch ein WM-Stadion. Leergefegt sind auch die Fan-Meilen. Zeit, sich der Antwort auf die Frage aller Fragen zu nähern: Wieviel Frau verträgt der Fußball?

Wie schwierig es ist, eine Harmonie zwischen Hormon und Hochleistung herzustellen, zeigte sich im Achtelfinal-Feldversuch zwischen Portugal und den Niederlanden. Ist der Testosteron-Spiegel bei Männern auf einem ungesunden Pegel, weil sie sich dank Trainer-befohlener Kasernierung über Wochen in einer Frauen-freien Zone bewegen müssen, kehren nicht nur Niederländer und Portugiesen den Neandertaler raus. Die Trainer der Jetztzeit setzen auf feine Dosierung. Dank medizinischem Stab wissen die Übungsleiter: Ein bisschen Sex schadet nichts - im Gegenteil.
Auch an diesem Beispiel lässt sich die Entwicklung im Verhältnis Mann, Frau, Fußball nachvollziehen. Hätte man Sepp Herberger anno 1954 den Vorschlag gemacht, die Angetrauten von Fritz Walter & Co. gar mit in die Herberge zu nehmen, wäre dem Fußball-Weisen die Contenance abhanden gekommen. Die Spieler meuterten nicht, schlugen die Hacken zusammen und gaben sich in der Freizeit anderen Männerfreuden hin.
Das stärkste Argument für Geschlechtertrennung datiert aus dem Jahr 1994. Der damalige Bundestrainer Berti Vogts hatte in den USA zu einem Abendessen geladen; Martina Effenberg, Angela Häßler und Bianca Illgner nahmen sich wichtiger als einige Spieler sich selbst und sorgten für großen Ärger. Vogts sah später sogar in der Cliquen-Wirtschaft einen entscheidenden Grund für das frühe WM-Aus.
Aber kluge Männer machen denselben Fehler ja nur ein Mal. Bei der EM 1996 in England lautete das Motto: keine Presse, keine Gspusis, alle Power für den Rasen. Vorbildlich - während sich an einem freien Nachmittag die Kollegen dann doch mit Frauen, Freundinnen auf deren Zimmer zurück zogen -ÊJürgen Klinsmann kaufte für diesen Überlebenskampf extra Lebensmittel ein -, musste Simone auf ihren Titanen verzichten. Oliver Kahn spielte lieber eine Runde Golf auf der hoteleigenen 18-Loch-Anlage in Shrigley Hall. Immer schön aggressiv bleiben. Glück für Verena Kerth: Ihr Olli drückt 2006 nur noch die Bank.
Mit dem aktuellen DFB-Arrangement scheinen alle zufrieden zu sein. Für den Bundestrainer ist es wichtig, »dass die Partner in dem großen Puzzle ihren Beitrag zum Gelingen leisten«. Zwei Mal innerhalb von drei Tagen lud der lernfähige Klinsmann Frauen und Freundinnen jüngst zu Kuschelstündchen ins Mannschaftsquartier. Nicht nur mit Fitness-Trainern oder Psychologen geht er also neue Wege, auch beim Umgang mit den Spielerfrauen. Bei früheren Titelkämpfen war das Spielerhotel Tabuzone, jetzt sind sie dort in den Stunden der Erholung gern gesehen und dürfen sogar über Nacht bleiben.
»Nach dem Spiel sind die Familien da, und es tut wahnsinnig gut, wenn die Kinder um einen herum toben«, meint auch Torsten Frings. »Da kehrt sofort Normalität ein. Das ist für uns Spieler optimal geregelt.« Ja, ja, schon klar Herr Frings, spielen mit Kindern, wir glauben es Ihnen.
Doch nicht nur bei den Deutschen schlägt der Generationswechsel durch. Rekrutierte sich früher der Kicker-Anhang aus den Berufsgruppen Friseurin, Sekretärin (da kann der »Kaiser« nicht abdanken) und Kosmetikerin, bevorzugen die kickenden Popstars gleichwertige Partnerinnen. Ex-Popstar, Juristin, Model, Journalistin, Moderatorin: Selbstbewusstsein resultiert bei diesen WAGS (Wives and Girlfriends) nicht nur aus der Tatsache »Frau von« zu sein. Und sie lassen sich auch nur noch bedingt sagen, wie wichtig die Harmonie zwischen Hormon und Hochleistung ist.
Aber auch beim Geschlechterkampf vorm TV und auf der Fanmeile hat sich einiges verändert. Laut Umfrage einer Online-Dating-Plattform für Singles sehen 63 Prozent der deutschen Frauen gerne Fußball - der Abstand zu 68 Prozent der Männer ist nur noch minimal. Diese Einigkeit wirkt sich auch auf die Beziehung aus: Bei 89 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen war Fußball noch nie ein Streitthema. Im Gegenteil: 60 Prozent der befragten Männer würden sogar für eine private Veranstaltung WM-Karten sausen lassen. Ob auch für ein Finale mit deutscher Beteiligung wurde nicht gefragt.
Aber eine Frage ist ganz leicht zu beantworten: Dass es Frauen hip und schick finden werden, ihre Flitterwochen in Stadien zu verbringen, das wird nie geschehen. Es sei denn, man heißt Heidi Beckenbauer, geborene Burmester.

Artikel vom 29.06.2006