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Er macht's öfter als Gerd Müller

Ronaldo erzielt bei seiner vierten WM-Teilnahme seinen 15. Treffer

Von Klaus Lükewille
Dortmund (WB). Nummer 14 gegen Japan. Da war er schon mächtig stolz, als er Gerd Müller in der WM-Torjäger-Liste eingeholt hatte. Jetzt strahlte Ronaldo noch mehr: Er legte beim 3:0 gegen Ghana den 15. Treffer nach und steht jetzt ganz allein an der Spitze.

Spitze war die Vorstellung des Titelverteidigers in diesem Achtelfinalduell aber nicht. Der Weltmeister spielte wieder nicht brasilianisch, sondern bot in Dortmund kühl-kalkulierten Zweckfußball. Hinten sicher stehen, dann auf schnelle Konter lauern. So wie in der 5. Minute, als Kaká seinen Torjäger erstklassig freispielte. Ronaldo garnierte den Torrekord sogar noch mit einem Übersteiger, als er Ghanas Schlussmann Richard Kingson austanzte - und schob dann die Kugel zur frühen Führung ins Netz. »Das war natürlich ein phantastischer Auftakt«, freute sich Ronaldo später und bedankte sich bei seinem Kollegen: »Kaká hat diesen Treffer mit einem Weltklassepass vorbereitet. Ich bin stolz, dass ich einen so großen Torjäger wie Gerd Müller überholen durfte.«
Während der Deutsche nur 1970 und 1974 stürmen und treffen konnte, ist Ronaldo jetzt schon zum vierten Mal bei einer WM auf der Jagd. Einer wird ihn nie vergessen: Oliver Kahn, der ihm im Finale 2002 nach seinem ersten Fehler den Ball vorlegte. Ronaldo stand genau richtig und nutzte die Chance damals eiskalt zum 1:0.
»Das zeichnet diesen Klassestürmer eben aus«, stellte sein Landsmann Zico fest. Er musste auf der Trainerbank der Japaner mit ansehen, wie Ronaldo beim 4:1 im letzten Vorrundenspiel seinem Team gleich zwei Treffer einschenkte. Zico zollt ihm höchstes Lob: »Er ist ein Gunner, in seiner Art unerreichbar.« Dass an diesem Scharfschützen die Partie zeitweise völlig vorbeiläuft, findet Zico überhaupt nicht schlimm. »Ronaldo ist spielerisch sicher nicht überragend, aber er hat ja ganz andere Qualitäten. Und außerdem sind genug Asse auf dem Platz, die ihn immer wieder traumhaft einsetzen können.«
Ähnlichkeiten mit dem Deutschen sind hier nicht rein zufällig: Auch »kleines dickes Müller« stand oft wie sein eigenes Denkmal im Strafraum - und war dann in der entscheidenden Sekunde an der richtigen Stelle. Bedient von Franz Beckenbauer, Günter Netzer oder Wolfgang Overath. Ronaldos Vorarbeiter heißen Kaká, Ronaldinho und Ze Roberto. Sie setzen ihn ein, er macht sie rein. Das 1:0 gegen Ghana war schon Volltreffer Nummer 4 in diesem Turnier. Und wenn sein ebenfalls ziemlich fülliger Mitangreifer Adriano in der 13. Minute nicht so eigensinnig gewesen wäre, stünden schon 16 WM-Tore auf Ronaldos Konto. Doch Adriano wollte das 2:0 unbedingt selbst machen, übersah den völlig freistehenden Ronaldo - und wurde dafür nach einer Schwalbe mit Gelb bestraft und nach einer Stunde vom Platz geholt. Ronaldo durfte dann vorne den Alleinunterhalter spielen.
»Ich arbeite hart daran, dass ich wieder so erfolgreich treffe wie früher. Ich glaube, ich bin hier auf dem richtigen Weg.«
Carlos Alberto Parreira sieht das auch so, und dem Trainer ist es wahrscheinlich völlig egal, ob sein Schützling 90, 91, 92, 93 oder sogar 94 Kilo wiegt. Solange der Pfundskerl Tore macht, ist alles in Ordnung. Der Coach konnte sich nach Brasiliens Einzug ins Viertelfinale eine Spitze gegen die Kritiker in der Heimat nicht verkneifen: »Viele sogenannte Experten haben behauptet: Ronaldos Zeit ist vorbei.« In Dortmund konnten alle sehen: Diese Tor-Uhr ist noch lange nicht abgelaufen.
Brasilien: Dida - Cafú, Lucio, Juan, Roberto Carlos - Kaká (83. Ricardinho), Emerson (46. Gilberto Silva), Zé Roberto, Ronaldinho - Ronaldo, Adriano (61. Juninho)
Ghana: Kingson - Pantsil, Mensah, Shilla, Pappoe - Eric Addo (60. Boateng), Appiah, Muntari, Draman - Amoah (70. Tachie-Mensah), Gyan
Schiedsrichter: Michel (Slowakei)
Zuschauer: 65 000
Tore: 1:0 Ronaldo (5.), 2:0 Adriano (45.+1), 3:0 Zé Roberto (84.)
Gelb-Rot: Gyan (81./Unsportlichkeit)

Artikel vom 28.06.2006