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Eltern entrichten über die Steuer Sozialabgaben für ihre Kinder. Auch dazu schweigt die Politik.

Leitartikel
Gesundheitskosten

Beitragfrei -
das ist
nur eine Mär!


Von Jürgen Liminski
Immer wenn von den Gesundheitskosten geredet wird, wird den Deutschen ein altes Märchen serviert. Es ist das Märchen von der Beitragsfreiheit für Kinder. Liebe Politiker und Experten, es stimmt nicht, Kinder sind nicht beitragsfrei. Im Gegenteil, Eltern zahlen doppelt und das aus zwei Gründen.
Erstens: Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Eltern mit der Erziehung von Kindern einen »generativen Beitrag« zur Bestandserhaltung der umlagefinanzierten Sozialsysteme - also auch des Gesundheitswesens - leisten. Dieser generative Beitrag sollte, so sagt das Gericht, mit dem finanziellen Beitrag verrechnet werden. Das aber geschieht nicht.
Solange das so ist, geschieht den Eltern Unrecht. Die schiere Existenz der Kinder ist Teil des Beitrags, diese Existenz kostet, und diese Kosten sind eine Investition in die Zukunft der Sozialsysteme, die die Eltern erbringen, Kinderlose nicht. Von einer Beitragsfreiheit dürfte man nur sprechen, wenn man der Forderung des höchsten deutschen Gerichts nachkäme und den generativen Beitrag mit dem finanziellen verrechnete.
Zweitens: Der Präsident des Deutschen Familienverbandes, Albin Nees, weist schon seit einiger Zeit darauf hin, dass Eltern effektiv auch einen finanziellen Beitrag für die Kinder leisten. Denn der Steuer-Freibetrag für das Existenzminimum werde zwar vom Brutto-Einkommen abgezogen, aber vorher werden auf der Grundlage dieses Brutto-Einkommens auch die Sozialabgaben der Eltern berechnet. Sie dürften jedoch, damit das Existenzminimum nicht angetastet wird, nur auf der Basis der Steuerbemessungsgrundlage (Brutto-Einkommen minus Freibeträge) berechnet werden.
Eltern entrichten also über die Steuer Sozialabgaben für ihre Kinder. Im Falle von Sachsen, wo Nees Staatssekretär war und die Krankenkassenbeiträge zu den niedrigsten gehören, hat er einen durchschnittlichen Beitragssatz von 50 Euro pro Kind errechnet.
Und noch ein Systemfehler sollte immer erwähnt werden, wenn es um die Kosten der Kinder im Gesundheitswesen geht. Hartmut Steeb, der Generalsekretär der Evangelischen Allianz weist darauf hin, dass »mit gutem Recht ein Vater bei einem von ihm gezeugten Kind unterhaltspflichtig ist, mindestens bis zum 18. Lebensjahr. Warum aber muss der Staat für Abtreibungskosten aufkommen?
Wenn schon abgetrieben wird - was gegen die Menschenwürde verstößt - dann müsste doch mindestens der Mann in die Verantwortung genommen und zur Zahlung der Abtreibungskosten verpflichtet werden samt der medizinischen Nachfolgekosten. Staat und gesellschaftliche Solidargemeinschaft sind doch nicht dazu da, privat zu verantwortendes unethisches Verhalten zu bezahlen«. Dazu schweigt die Politik sich aus. Hier aber sollte sie reden und beim Thema Beitragsfreiheit für Kinder endlich schweigen. Das wäre wohltuend für alle.

Artikel vom 27.06.2006