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2:2 geht's diesmal nicht aus

Die beiden letzten Duelle gegen Argentinien endeten remis - Jetzt muss ein Sieger her

Berlin (WB). Deutschland gegen Argentinien, Viertelfinale am Freitag, 30. Juni, um 17 Uhr in Berlin. Wer den Spielplan vor dem Turnier studierte und alle Alternativen checkte, kam an dieser Partie eigentlich nicht vorbei. Sie kam in vielen Vorausberechnungen vor.

Dabei hätten die Argentinier das Olympiastadion beinahe gar nicht gefunden. Gegen Mexiko im Achtelfinale war ihnen kurzerhand die Wegbeschreibung abhanden gekommen, die sie erst in der Verlängerung wiederentdeckten.
Eigentlich kennen sie sich in Deutschland aber ganz gut aus. Von ihren letzten Reisen hierher brachten die Südamerikaner zwei Unentschieden mit. 2:2 in Düsseldorf im kalten Februar 2005, 2:2 auch im Juni anlässlich des Confed Cups im sommerlichen Nürnberg.
Doch es handelt sich um trügerische Ergebnisse, eine optische Täuschung sozusagen. Denn die Hausherren hatten den Doppelsieg zum Greifen nah. Gleich viermal legten sie den Führungstreffer vor, viermal fingen ihn die Gauchos noch ab. Wie gemein.
Wenn sich das jetzt im WM-Viertelfinale wiederholt, werden die üblichen Regularien vollzogen. Verlängerung, Elfmeterschießen. Was auch immer übermorgen in Berlin geschieht - einer muss gewinnen.
Inzwischen rechnet sich Deutschland sehr viel bessere Chancen aus, als dies vielleicht noch zu Beginn des Turniers der Fall war. Die Argentinier begannen schon sehr stark, aber stärker sind sie seither nicht geworden. Deutschland dagegen glaubt, noch Luft nach oben zu haben. Erneut soll die Überfalltaktik zur Anwendung kommen. »Wenn es uns gelingt, sie gleich zu Beginn unter Druck zu setzen, kann es klappen«, sagt Stürmer Miroslav Klose, mit Lukas Podolski ausgewiesener Schnellschütze dieser WM. Bis zur 5. Minute flutschte der Ball nun schon dreimal rein. Und kassierten die Argentinier nicht gegen Mexiko nach sechs Minuten das 0:1?
»Das Momentum spricht für uns«, sagt Nationalelfmanager Oliver Bierhoff und meint die Gunst der Stunde. Die Mannschaft hat einen Lauf, die Fans haben einen Lauf, das Land hat einen Lauf. Wieso also sollte Deutschland ausscheiden - jetzt, da sich das Selbstvertrauen türmt und ihnen die Berichterstatter aus aller Welt Reportagen und Kommentare widmen, in denen sie erklären: Aufgepasst auf die Deutschen, die haben es voll drauf. Christoph Metzelder studierte die Lektüre: »Wenn man die internationalen Blätter liest, findet man sehr viel Anerkennung für uns. Da wird registriert, was in Deutschland los ist und wie die Menschen hinter ihrer Mannschaft stehen.«
Daraus schließt der Dortmunder ungerührt: »Wir haben Respekt vor Argentinien. Aber ich glaube, die haben auch sehr viel Respekt vor uns.« In den beiden Länderspielen des vergangenen Jahres retteten sie sich mit Routine über die Runden, sicher deckten sie ihre Karten auch nicht komplett auf.
Das tat die deutsche Mannschaft ebenso wenig. Dahinter steckte allerdings keine Absicht, sondern ein Personalproblem. Kapitän Michael Ballack fehlte ebenso wie die Torschmiede Klose/Podolski und die WM-Entdeckung Philipp Lahm. Der Blick auf die damaligen Aufstellungen offenbart, wie sehr der Bundestrainer noch nach geeigneten WM-Kandidaten auf der Suche war. Einige von ihnen fielen durch den Rost: Hinkel, Owomoyela, Ernst, Wörns, Kuranyi oder Engelhardt - vor einem Jahr noch dabei, heute aussortiert.
Deutschland 2005 hat mit Deutschland 2006 also nicht mehr sonderlich viel zu tun. Auch die Argentinier siebten seither aus. Die aktuelle WM-Elf hinterließ zweifellos Eindruck. »Sie ist die einzige Mannschaft, die über herausragende Einzelkönner verfügt, aber auch als Team funktioniert«, meint Metzelder. Die einzige - außer Deutschland? Jetzt muss die DFB-Auswahl endlich einen Großen putzen, nach sechs Jahren des Wartens duldet diese Angelegenheit keinen weiteren Aufschub.
Co-Bundestrainer Joachim Löw hält Argentinien für die höchste Hürde auf dem Weg zum Titel: »Wenn man da durchkommt, steigen die Chancen. Man muss sie nerven wie ein Bienenschwarm.«

Artikel vom 28.06.2006