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Messi schwebt über den Platz

Pekermans »Wunderknabe« - Maradona erkennt sich wieder

Herzogenaurach (WB/klü). Er läuft nicht. Nein, er schwebt über den Platz. Ein »Bruder Leichtfuß«, dem nichts schwer fällt. Lionel Messi, vor Tagen gerade erst 19 geworden, gilt als Jahrhunderttalent.

Argentiniens Trainer José Pekerman, sonst kein Mann für zu laute Töne, er sagt über den Hochbegabten: »Er ist ein Wunder.« Wunderbar verlief in jedem Fall bisher Messis Kicker-Karriere. Er kommt aus bescheidenen Verhältnissen, wurde in Rosario groß. Dort entdeckte ihn im Sommer 2000 Carlos Rexach, Assistent des damaligen Barcelona-Trainers Johan Cruyff, auf einem Bolzplatz.
Die Spanier schnappten sofort zu. Erst 13 Jahre, nur 1,40 Meter groß, macht nichts, der Junge wurde gekauft. Heute zählt Messi zu den teuersten Spielern der Welt. Sein Vertrag in Barcelona läuft bis 2014, die Ablösesumme liegt bei 150 Millionen Euro. Das sind Zahlen und Beträge, die Messi aber nicht belasten. »Er hat sich die Freude am Spiel bewahrt, das sieht man in jeder seiner Aktionen«, sagt Pekerman.
Ein Trainer und sein Juwel. Er »poliert« Messi bei der WM wieder auf, bringt ihn immer näher an die erste Elf heran, setzte ihn in den wichtigen Partien gegen Serbien-Montenegro und Mexiko als Joker ein. Gegen die Niederlande, als es nur noch um den ersten Gruppenplatz ging, durfte er die ersten 70 Minuten mitmachen. Pekerman will keinen Druck ausüben: »Wir müssen Geduld haben. Wahrscheinlich bleibt er auch gegen Deutschland zunächst wieder draußen.«
Denn Messi laborierte vor der WM zehn Wochen an einer Muskelverletzung, ist nach eigener Aussage zurzeit erst bei 70 bis 80 Prozent seines Leistungsvermögens. Hundertprozentig ist jedoch Diego Armando Maradona davon überzeugt, dass da unten sein Nachfolger über den Rasen tanzt: »Ich erkenne mich in Leo wieder, er spielt wie ich.« Ein dickes Kompliment vom rundlichen Weltmeister, das Messi aber eher irritiert als anspornt. Er mag den Rummel um seine Person nicht, Medien-Auftritte sind für ihn wie »Platzverweise«. Schüchtern, leise Stimme, kurze Antworten. Wenn er vielleicht mal so gut kickt wie Maradona, so schrill wie dieser Selbstdarsteller wird Messi nie.
»Er war ein stiller Anführer«, erinnert sich sein Jugendtrainer beim FC Barcelona. Kein Platzhirsch, kein brüllender Dirigent - aber trotzdem höchst effizient. Auf leisen Sohlen hüpft er über die Fußball-Felder. »La Pulga«, der Floh, haben sie ihn in Spanien getauft. Und die Fans in seiner Heimat verehren ihn schon heute wie einen Champion. In der Kurve flatterte bei jedem Argentinien-Auftritt eine Fahne: mit Messis Kopf und dem WM-Pokal.

Artikel vom 29.06.2006