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Brotzeit auf dem Klosterplatz

Carlos Brum da Silva von den Azoren genießt die deutsche Lebensart

Von Wolfgang Wotke
Harsewinkel-Marienfeld (WB). »Den Käse und das Brot habe ich hier gekauft. Den Schinken, die getrockneten Feigen, den feurigen Paprika und den Wein habe ich mitgebracht«, erzählt Carlos Brum da Silva und macht es sich mitten auf dem Klosterplatz in Marienfeld bei einer Brotzeit gemütlich.

Der 49-jährige Portugiese kommt von den Azoren, ist Edelsteinhändler von Beruf und reiste 5000 Kilometer weit, um seinen Nationalspielern ganz nahe zu sein. »Mit dem Schiff bin ich bis Lissabon, den Rest habe ich dann mit meinem gelben Wohnmobil zurückgelegt. Ich bin so lange in Marienfeld, wie Portugal im Turnier bleibt«, sagt Carlos und schneidet sich genüsslich ein Stück deutschen Käse ab.
Dann beginnt er zu fachsimpeln: »Der nächste Gegner England ist zwar ein harter Brocken, trotzdem werden wir das Viertelfinalspiel mit 2:1 gewinnen.« Der gut aufgelegte Sporting-Lissabon-Fan hat viele Freunde beim portugiesischen Fernsehen und bei den heimischen Printmedien. »Die versorgen mich auch immer mit den neuesten Nachrichten.« Portugals Pressechef Afonso Melo begrüßt ihn täglich per Handschlag, und selbst zu Sportdirektor Carlos Godinho hat er ein Superverhältnis. »Irgendwie gehöre ich schon dazu«, meint Carlos und wundert sich über die vielen britischen Journalisten, die seit gestern ins Pressezelt eingezogen sind.
Mittelfeld-Ass Deco und Ersatztorwart Quim baten gestern zur Pressekonferenz. Deco bedauert, dass die FIFA den Protest gegen seine gelb-rote Karte abgewiesen hat. »Die ganze Situation stimmt mich traurig. Ich hätte sehr gerne gespielt. Jetzt muss ich da durch«, gesteht Portugals Superstar, der sich ganz sicher ist, dass sich sein Team gegen England behaupten wird. »Wir haben Spieler mit Qualität. Die packen es auch ohne Costinha und ohne mich.«
Dennoch wird die Selecção am Samstag im Viertelfinale gegen England (17 Uhr/Gelsenkirchen) das gesperrte Duo vermissen. Offen ist, ob Cristiano Ronaldo nach seiner Oberschenkelverletzung mitwirken kann. Trainer Luiz Felipe Scolari ist jedoch optimistisch: »Das sieht ganz gut aus. Er hat lediglich einen Bluterguss im Oberschenkel.«
Vor der Neuauflage des Viertelfinalspiels der EM 2004 wurde zudem bekannt, dass Cristiano Ronaldo seinen Club Manchester United gerne verlassen möchte und mit einem Wechsel zu Real Madrid liebäugelt. »Ich habe meinem Agenten gesagt, dass ich für Real spielen möchte. Das ist mein Traum«, sagte er in einem Interview mit der spanischen Sportzeitung »Marca«. Ronaldo, der 2003 für 17 Millionen Euro von Sporting zu ManU gewechselt war, hat dort einen Vertrag bis 2010. Zu diesen Wechselabsichten wollte sich Teamkamerad Deco nicht äußern. »Nur soviel: Wenn er in Madrid glücklicher ist, dann soll er dorthin gehen.«
Coach Scolari hat gestern zweimal ein Geheimtraining angeordnet. Neu sind die riesigen Werbe-Banden, die mitten auf dem Trainingsgelände aufgestellt wurden. Die Fotografen und Kameraleute fluchen, denn sie können die Spieler nur noch bis zum Bauchnabel ablichten. Ein Bild mit Ball am Fuß ist dagegen unmöglich.

Artikel vom 28.06.2006