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Bagheri schwärmt: »Bielefeld
ist meine zweite Heimat«

Iranischer Ex-Armine verfolgt die Fußball-Weltmeisterschaft am Bildschirm

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Die Brötchentüte in der Hand schlendert Karim Bagheri vor dem Frühstück ganz gemütlich durch die Rathausstraße. »Bielefeld ist schön geworden. Die Altstadt hat an Glanz gewonnen«, sagt der iranische Fußballer. Mit Ehefrau Leila und Sohn Amir verbringt er derzeit seinen Urlaub bei der befreundeten Familie Tehranchi, die in der Stadt am Teutoburger Wald ein Fachgeschäft für Teppiche betreibt.

»Bielefeld ist meine zweite Heimat«, erinnert sich der 32-jährige ehemalige Nationalspieler gern an sein zweieinhalbjähriges Engagement beim DSC Arminia.
Wie das WB bereits berichtete, schloss Irans kroatischer Trainer Branko Ivankovic vor der Weltmeisterschaft Bagheris Rückkehr in die Nationalmannschaft trotz vieler medialer Forderungen aus. Der Kapitän von Pirouzi Teheran, der nach eigenen Aussagen im letzten Spieljahr eine gute Saison absolviert hatte, nahm die Absage relativ gelassen. »Natürlich wäre ich gern dabei gewesen, zumal die WM in Deutschland stattfindet. Aber Ivankovic hatte seine eigenen Teamvorstellung und ist damit erwartungsgemäß gescheitert«, ist die vorzeitige Heimreise der Iraner für Bagheri keine Überraschung.
Die Vorrundenspiele seiner Berufskollegen hat Karim nur vor dem Fernseher verfolgt. »Ich hatte keine Tickets. Außerdem mache ich jetzt mit der Familie Urlaub«, verdeutlicht der 80-fache Nationalspieler mit 48 Länderspieltoren, dass sich sein Interesse nach dem nicht angenommenen Rücktritt vom Rücktritt in Grenzen hält. Dennoch wagt er einen Tipp: »Deutschland hat die besten Chancen. Die Mannschaft spielt wirklich sehr gut. Aber auch Brasilien, Argentinien und England traue ich den Titel zu.«
Ari Haan ist bei Pirouzi Teheran sein Trainer. »Mit ihm komme ich gut klar«, lobt Bagheri den Holländer, der nach der WM wohl die Nachfolge von Branko Ivankovic als Nationalcoach antreten wird. Kontakte zu seinem Landsmann Ali Daei, mit dem er 1997 zum DSC Arminia kam, bestehen kaum noch. Beide sehen sich lediglich, wenn Daeis Klub Saba Battery Teheran im Ortsderby gegen Pirouzi antritt.
Überrascht war Karim Bagheri jedenfalls, als sich vor einem Jahr Ernst Middendorp bei ihm telefonisch meldete. Vor seinem aktuellen Engagement beim südafrikanischen Nobelklub Kaizers Chiefs Johannesburg trainierte »Power-Ernst« bekanntlich den iranischen Zweitligisten Tracktorsasi Täbris. »Wir haben uns nett unterhalten«, grinst Bagheri verschmitzt, wohl wissend, dass er einmal sagte: »Unter Middendorp trainierte ich nie wieder. Der geht ja zum Lachen in den Keller.«
Obwohl Karim Bagheri in der Winterpause der Saison 1999/2000 nach 29 Erst- und 22 Zweitligaeinsätzen für Arminia vom damaligen Trainer Hermann Gerland aussortiert wurde, ist sein Interesse am ehemaligen Arbeitgeber nicht erloschen. Über Satellit könne er die Bundesliga auch im iranischen Fernsehen verfolgen, erzählt Bagheri und zeigt sich über Arminias Abschneiden bestens informiert. »Ich freue mich, dass Bielefeld jetzt zum zweiten Mal in Folge den Klassenerhalt geschafft hat.«
Ein paar Tage will die Familie Bagheri noch in Bielefeld verweilen. Ende Oktober erwartet Ehefrau Leila ihr zweites Kind. »Es wird wieder ein Junge«, verrät Karim voller Stolz. Vor seiner Rückkehr in die Heimat würde sich der Ex-Armine gern noch mit Thomas von Heesen unterhalten. »Wir hatten immer einen guten Draht«, stellt der Mann fest, der dem Iran vielleicht bei der WM zu mehr Stabilität verholfen hätte.

Artikel vom 27.06.2006