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1848: »Das Reichspanier sei schwarz, rot und golden«

Der Dreisprung zum Dreifarb der Schützen, Burschenschaftler und Bürger

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Schwarz, Rot und Gold wohin man schaut. Mit der Fußballeuphorie findet Deutschland dieser Tage zum unbeschwerten Blick auf seine Nationalfarben. Sie haben sich in einem historischen Dreisprung zu den Bundesfarben aller Deutschen entwickelt.

Den »Dreifarb« zeigten zu allererst 1813 die Lützower Schützen, 1815 dann Jenaer Burschenschaftler. 1848 folgten fast gleichzeitig Preußens König und die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche.
Schwarz und Gelb waren die Farben des Kaiserreichs, ohne dass sie als Flagge pur gezeigt wurden. Die zwei Farben hatten sich vor allem als vorherrschende Farben in den kaiserlichen Schiffsflaggen bewahrt. Fast bis in die heutigen Tage erhalten geblieben sind Schwarz und Gelb mit den Uniformen, Kutschen und Briefkästen der Post.
Nicht eine Fußball-Weltmeisterschaft sondern der nationale Überschwang nach den siegreichen Befreiungskriegen 1813/1814 gegen den Kaiser der Franzosen Napoleon I. ließ allerorten Schwarz-Gelb wehen. Neben den Farben des 1806 endgültig zusammengebrochenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde auch an vielen Orten Schwarz-Weiß für die Führungsmacht Preußen gezeigt.
Die erste rot-schwarze Fahne mit goldenen Fransen wurde nachweislich 1813 für das Lützowsche Freikorps angefertigt. Die Bürgerschützen hatten sich antinapoleonische Volksaufstände in ganz West- und Süddeutschland auf das somit erste dreifarbige Banner geschrieben. Die Uniform der Lützower Jäger bestand aus schwarz gefärbten, mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen besetzten Zivilröcken.
Falsch sein soll, so Professor Peter Kaupp, die in der Literatur nachzulesende Version, wonach ausgerechnet Turnvater Friedrich Jahn den Jenaer Burschenschaften die unzutreffende Auskunft erteilte, Schwarz, Rot undGold seien die alten Reichsfarben.
Zahlreiche »Lützower« gingen nach dem Sieg in der am 12. Juni 1815 gegründeten Jenaer Burschenschaft auf und - so das Protokoll - »bestimmten Roth und Schwarz zu den Farben ihres Paniers«. Heute befindet sich diese Fahne (großes Bild) im Besitz der Jenaischen Burschenschaft Arminia a. d. Burgkeller.
Erstmals nachzulesen ist der Dreiklang, also einschließlich der Farbe Gold, in einem Jenaer Stammbuch vom Februar 1816 und in dem 1817 auf der Fahrt zum Wartburgfest geschriebenen Lied »Eisenach lebe«. Bei dem für die nationale Findung der Deutschen zentralen Hambacher Fest am 27. Mai 1832 waren Schwarz-Rot-Gold endgültig zu den Farben der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung geworden.
Daraus folgend, historisch aber keineswegs schlüssig stellte die Frankfurter Nationalversammlung am 9. März 1848 fest: »Ebenso werden die Bundesfarben der deutschen Vorzeit zu entnehmen sein, wo das Reichspanier schwarz, rot und golden war.«
Es dauerte bis zum 23. Mai, bis eine solche Fahne unter großem Jubel der Teilnehmer auf dem Portal des Frankfurter Bundespalastes gehisst wurde. Zuvor war sie schon in Berlin auf dem Zeughaus gezeigt worden. Selbst Preußens König Friedrich Wilhelm IV. kam den Frankfurtern so gerade noch zuvor und flaggte schnell um. Er schmückte sich am 21. März 1848 in Berlin - ganz up to date - mit einer schwarz-rot-goldenen Armbinde.
Der ums Amt besorgte Preuße ließ auch eine entsprechende Fahne vorantragen und verlautbaren: »Ich habe die alten deutschen Farben angenommen und mich und mein Volk unter das ehrwürdige Banner des Deutschen Reiches gestellt.«
Auch die anderen Einzelstaaten stellten die Führung des Dreifarbs nicht mehr unter Strafe, dennoch setzte sich das Zeichen der Revolution nicht durch. Die Kräfte der Beharrung waren auch damals größer. Nach der Überlieferung ließ Otto von Bismarck, noch nicht Reichskanzler aber schon Preußischer Gesandter, die Flagge während der Sitzungsferien im August 1852 bei Nacht vom Gebäude des Deutschen Bundes niederholen.
Der Norddeutsche Bund 1867 und das Deutsche Reich 1871 gaben sich wieder andere Farben: Schwarz-Weiß-Rot. Die Weimarer Verfassung wollte den Kompromiss, aber Artikel drei löste einen »Flaggenstreit« aus: »Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke.«
Die Nazis führten schwarz-weiß-rot 1933 wieder ein und ersetzten sie zwei Jahre später durch die Hakenkreuzflagge.
Nach dem Kriege führten beide deutsche Staaten 10 Jahre lang die gleiche Staatsflagge, ein Unikum in Europa. Vom 1. Oktober 1959 an fügte die DDR ihr Staatswappen ein, ein goldenes Emblem bestehend aus Hammer und Zirkel, die von einem Ährenkranz umrankt sind. Seit dem 3. Oktober 1990 gilt wieder der Dreifarb pur.

Artikel vom 30.06.2006