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Totti nutzt
ein Geschenk
aus elf Metern

Italien jubelt über spätes 1:0

Kaiserslautern (dpa). Vom Buhmann zum Helden: Francesco Totti hat die Squadra Azzurra in letzter Sekunde vor dem drohenden WM-K.o. bewahrt und das australische Fußballmärchen im Achtelfinale abrupt beendet. Dank eines Elfmeter-Geschenks schaffte Italien den Sprung in die Runde der besten Acht.

Ausgerechnet Totti, der von den Tifosi vor vier Jahren nach einem Feldverweis für das Achtelfinal-Aus verantwortlich gemacht worden war, verwandelte in Kaiserslautern einen fragwürdigen Strafstoß in der fünften Minute der Nachspielzeit zum glücklichen 1:0-Sieg. »Ich widme das Tor meiner Frau Ilary und meinem Sohn Cristian.«
Gegen den aufopferungsvoll kämpfenden Außenseiter hatte bereits alles auf eine Verlängerung hingedeutet, doch nach einem Faller von Fabio Grosso entschied der spanische Schiedsrichter Luis Medina Cantalejo auf Elfmeter, den Totti eiskalt verwandelte. »Das hat er mit Bravour gemacht. Ich hatte einen Lupfer befürchtet«, sagte Trainer Marcello Lippi erleichtert. »Ich habe an einen Lupfer gedacht, aber das war mir zu heiß. Ich war ganz ruhig«, schilderte Totti seine Empfindungen in den Sekunden des späten Triumphes.
»Es ist eine unglaubliche Freude, ich bin überglücklich. Dieses Spiel hatte alles, was ein Spiel haben kann. Das war ein Wink des Schicksals«, jubelte Lippi über den Sieg. Nach einer roten Karte gegen Marco Materazzi in der 50. Minute hatte der dreimalige Weltmeister vor 46 000 Zuschauern im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion fast eine Halbzeit lang in Unterzahl spielen müssen und am Rande einer Niederlage gestanden.
Am Ende durften die Azzurri doch noch die erhoffte Revanche an Australiens Trainer Guus Hiddink bejubeln, der vor vier Jahren mit Südkorea die Sensation geschafft und Italien aus dem Turnier geworfen hatte. »Das war ein Knockout in letzter Sekunde, deshalb sind wir sehr enttäuscht. Wir waren ganz nah dran. Ich bin aber trotzdem stolz auf meine Jungs; sie haben ein großartiges Turnier gespielt«, lobte Hiddink sein aufopferungsvoll kämpfendes Team.
Für Totti hatte die Partie mit einer bösen Überraschung begonnen, denn der Mittelfeld-Regisseur vom AS Rom schmorte zunächst nur auf der Bank. »Er war müde, deshalb habe ich ihn zunächst draußen gelassen«, begründete Lippi die Ausmusterung seiner Nummer 10. Erst nach 75 Minuten durfte Totti für den nicht überzeugenden Alessandro Del Piero ran. Der hatte die erste gefährliche Szene vorbereitet, in der Luca Toni einen Kopfball aus kurzer Distanz neben das Tor setzte. Der Torschützenkönig der Serie A war im ersten Durchgang der auffälligste Spieler auf dem Platz und rechtfertigte seine Aufstellung, doch sein erstes Turniertor wollte ihm nicht gelingen. Bei zwei aussichtsreichen Versuchen scheiterte Toni zunächst an Torwart Mark Schwarzer (22.) und köpfte dann über das Tor (34.).
Zur Pause brachte Lippi mit Vincenzo Iaquinta für Alberto Gilardino einen frischen Angreifer. Doch nach nur fünf Minuten gerieten seine Pläne völlig durcheinander, als Materazzi in der bis dahin ausgesprochen fairen Partie die rote Karte sah. Die Entscheidung von Cantalejo schien trotz des klaren Fouls an Marco Bresciano überzogen.
Die Australier wurden nun mutiger und begannen an die Überraschung zu glauben. Doch ihre Angriffsversuche - überwiegend hohe Flanken in den Strafraum - blieben eher bieder. »Der einzige Vorwurf, den man uns machen kann, ist, dass wir das Tor nicht geschossen haben. Das unterscheidet uns von einem Team wie Italien«, stellte Hiddink fest.
Italien: Buffon - Zambrotta, Cannavaro, Materazzi, Grosso - Gattuso, Pirlo, Perrotta - Del Piero (75. Totti) - Gilardino (46. Iaquinta), Toni (56. Barzagli)
Australien: Schwarzer - Moore, Neill, Chipperfield - Culina, Grella, Wilkshire - Sterjovski (81. Aloisi), Cahill, Bresciano - Viduka
Schiedsrichter: Cantalejo (Spanien)
Zuschauer: 46 000 (ausverkauft)
Tor: 1:0 Totti (90.+5/Foulelfmeter)
Rote Karte: Materazzi (50./grobes Foulspiel)

Artikel vom 27.06.2006