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Unionspolitiker wollen
Reform verschieben

Streit über die Finanzierung des Gesundheitssystems

Berlin (dpa). Angesichts der Differenzen mit der SPD über die Finanzierung des Gesundheitssystems haben führende Unions-Politiker eine Verschiebung der Reformbeschlüsse ins Gespräch gebracht.

Vor dem Spitzengespräch der Koalition gestern Abend im Kanzleramt warnten CSU-Chef Edmund Stoiber und die Ministerpräsidenten von Sachsen und Thüringen, Georg Milbradt und Dieter Althaus (beide CDU), vor einem Schnellschuss. Die Koalition hatte angekündigt, sie wolle sich noch vor der Sommerpause auf Eckpunkte der Gesundheitsreform verständigen.
Im aktuellen Streit geht es um SPD-Pläne für künftige Steuer- Zuflüsse ins Gesundheitssystem. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilte einer Finanzierung mit bis zu 40 Milliarden Euro aus Steuern eine klare Absage. »Das kann man vergessen«, sagte sie am Samstag.
Stoiber erklärte: »Wenn die SPD von dieser Steuerlawine nicht abrückt, ist es besser, sich mit der Entscheidung über die Gesundheitsreform noch etwas mehr Zeit zu lassen. Milbradt sagte, man dürfe nicht »Steuererhöhungen einsetzen, nur weil man sich nicht auf eine Reform auf der Ausgabenseite einigen kann«. Althaus erklärte: »Der Inhalt entscheidet, nicht die Geschwindigkeit.«
Nach einem Bericht der »Zeit« erwägt die SPD-Spitze für die Krankenversicherungen einen dauerhaften Steuerzuschuss von 30 bis 45 Milliarden Euro. Dies solle jetzt beschlossen und von 2008 an umgesetzt werden. Dazu sollten die Einkommenssteuer oder Verbrauchssteuern erhöht werden. Im Gegenzug könnten die Versicherungsbeiträge um drei Prozentpunkte gesenkt werden. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sagte, eine Steuerfinanzierung sei der »absolut richtige Ansatz«.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) wandte sich gegen eine höhere Einkommen- oder Mehrwertsteuer »zumindest bis zum Ende dieser Legislaturperiode«. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) schloss eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Gesundheitsreform aus. Es gehe bei der Gesundheitsreform nicht um eine »zusätzliche Belastung der Versicherten, sondern um eine gerechtere Form der Finanzierung«.
Der CDU-Wirtschaftsexperte Laurenz Meyer plädierte für eine Steuerfinanzierung der Kinder-Krankenversicherung. »Ich bin schon der Meinung, dass es zur Absicherung der Kinder sozialer wäre, wenn sich alle Steuerzahler daran beteiligten.«
Auch Merkel plädierte für eine Finanzierung der Krankenversorgung von Kindern aus Steuern. »Es leuchtet mir nicht ein, wieso nur die Gesetzlichen (Krankenkassen) für Kinder aufkommen.« Auch Stoiber sagte: »Sprechen können wir darüber, die Kinder aus Steuermitteln zu versichern, so wie CDU und CSU dies bereits beschlossen haben.« Das Volumen wird auf 14 Milliarden Euro geschätzt, bei Einbeziehung der privaten Kassen auf 16 Milliarden.
Stoiber machte den Erhalt der Privaten Krankenversicherung (PKV) zur Vorbedingung für ein Fondsmodell. Auch Merkel sagte: »Es hat keinen Sinn, als erstes zu sagen: Wir müssen die PKV kaputt machen.« SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, die privaten Kassen würden sich künftig an der solidarischen Finanzierung des Gesundheitssystems beteiligen. Die Höhe sei aber noch offen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) plädierte für erhebliche Leistungskürzungen bei der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nachdenken müsse man etwa darüber, Zahlungen bei Sportunfällen zu streichen oder von Risikogruppen wie Rauchern höhere Eigenbeiträge zu verlangen.

Artikel vom 26.06.2006