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Jugendlichen fehlt die Reife

IHK fragte Ausbildungsbetriebe

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Trotz großer Anstrengungen der heimischen Wirtschaft sind weiter 8500 Jugendliche in Ostwestfalen ohne Lehrstelle. Bei 2000 noch freien Ausbildungsplätzen beträgt die Lücke einen Monat vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres 6500 Lehrstellen.
Herbert Sommer: Firmen bilden heute mehr aus.

Herbert Sommer, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen, erklärte am Freitag, die Zahl der Lehrstellen könne sich bis Jahresende noch um 4500 erhöhen. Für die Bewerber, die dabei noch leer ausgingen, wollten die Firmen Praktika bereit halten.
Was die IHK betreffe, so liege die Zahl der von ihren Mitgliedern bereitgestellten Ausbildungsplätze derzeit um fünf Prozent über Vorjahr. Verglichen mit 1996 betrage der Zuwachs sogar gut 20 Prozent. »Trotzdem können wir angesichts der in die Ausbildung drängenden geburtenstarken Jahrgänge nicht zufrieden sein«, erklärte Sommer. Fast alle regionalen Arbeitsagenturen in OWL meldeten mehr Lehrstellen; Ausnahmen seien die Kreise Paderborn (minus 2,8 Prozent) und Höxter (minus 7,9).
Fast jeder zehnte Betrieb hat 2005 nicht alle von ihm angebotenen Lehrstellen besetzt. Wie eine aktuelle Umfrage der IHK ergibt, lag die Ursache nach Angaben von Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff in jedem zweiten Fall im Fehlen geeigneter Bewerbungen. Weitere 13 Prozent gaben an, dass Jugendliche ihre Lehrstelle einfach nicht antraten. Aus Frust verzichteten manche Arbeitgeber danach auf eine zweite Bewerberrunde. »Es ist möglich, dass ein Jugendlicher sich noch umorientiert«, meinte Sommer. »Wenn er aber den Betrieb nicht informiert, verbaut er anderen die Chance.« Dies sei in der jetzigen Situation unverzeihlich.
Größtes Hemmnis für mehr Lehrstellen ist der Umfrage zufolge mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger. Konzerne wie Bertelsmann und Hettich, die Bewerber seit Jahren etwa den gleichen Aufnahmeprüfungen unterzögen, stellten fest, dass die schulischen Leistungen schlechter würden. 68 Prozent der von der IHK befragten Betriebe monierten nicht zureichendes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen. Der Anteil derer, die elementare Rechenfertigkeiten vermissen, ging zwar im Vergleich zu einer Umfrage vor fünf Jahren von 65 auf 55 Prozent zurück. Jedem zweiten Jugendlichen fehlt aber aus Arbeitgeber-Sicht stattdessen die richtige Motivation. Vermisst werden außerdem Disziplin (39 Prozent), gute Umgangsformen (35), Belastbarkeit (34) und sogar Interesse (31).

Artikel vom 24.06.2006