24.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Unter »ferner liefen«


Am Donnerstag gab es eine Premiere im Rat: Die Verabschiedung des Haushaltes, eigentlich die Königsdisziplin der Kommunalpolitiker, fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ein solches Mammutprogramm hatten sich die Ratsmitglieder für ihre letzte Sitzung vor der Sommerpause auferlegt, dass kein einziger Zuhörer mehr zu später Stunde der Debatte folgen mochte. Gegen 22.15 Uhr war die Sitzung schließlich beendet - wobei die ersten vorgeschalteten Ausschusssitzungen sieben Stunden zuvor begonnen hatten. Eigentlich ein Trauerspiel.
Dabei wird der Entscheidungsdruck oft künstlich erhöht, und Abstimmungen werden am Ende dann doch wieder und wieder verschoben.
Beispiel 1 am Donnerstag: der Ergebnisabführungsvertrag. So kompliziert der Begriff auch klingt, so segensreich kann die durch einen solchen Vertrag zwischen Rathaus und Stadtwerken erzielte Steuerersparnis für die Stadtkasse sein. Eine Einigung ist den Politikern noch immer nicht geglückt, obwohl nunmehr schon seit Jahren darüber diskutiert wird. Die für Donnerstag angekündigte Entscheidung wurde erneut vertagt - auf August.
Beispiel 2: kommunale Mehrheit bei »Arbeitplus«, die Einrichtung in Bielefeld, die sich um die Langzeitarbeitslosen kümmert. Die Einflussnahme der Stadt soll vergrößert werden. Auch hier: lange Debatte, Sitzungsunterbrechung und auf »Wiedervorlage« gelegt. Das Schlimme: Schon im Vorfeld war klar, wie alles ausgehen würde. Man hatte sich bereits verständigt.
Der Rat sollte der Ort der Generaldebatten, der großen Entscheidungen sein, nicht das Forum für taktisches Klein-Klein. Streitkultur muss sein, aber nicht um des bloßen Showeffektes willen. Sonst führt sich das Gremium auf die Dauer ad absurdum.
Disziplin ist auch bei der Aufstellung der Tagesordnung erforderlich. Am Donnerstag allein 30 Punkte im öffentlichen Teil - das lässt sich auch vom gutmütigsten Kommunalpolitiker kaum angemessen bewältigen. Bei anderen Sitzungen in diesem Jahr waren Themen dagegen Mangelware. Am Donnerstag wird sich mancher gefragt haben, wofür er da gerade die Hand hebt, wenn der Punkt dann nicht doch wieder verschoben wurde. Kein Wunder auch, dass so Entscheidungen wie die über den Milliarden-Etat der Stadt nur noch unter »ferner liefen« auftauchen.

Artikel vom 24.06.2006