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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Der heutige 24. Juni gilt als Geburtstag Johannes des Täufers. Dieser steht an der Schwelle vom Alten zum Neuen Testament und bildet den Übergang vom einen zum anderen. Er selbst lebt und wirkt noch ganz in der Tradition der alten Propheten. Auf keinerlei Institution gestützt, die ihn absichert und ihm eine Altersversorgung garantiert, ist er allein seinem Auftrag verpflichtet. Er muss zur Umkehr und zum Gehorsam gegen Gottes Willen rufen. Für den Fall aber, dass man sich dem verweigert, hat er härteste Konsequenzen anzudrohen. Zum Zeichen dessen, dass er niemandem nach dem Munde redet und den Beifall der Menge nicht sucht, wählt er den Lebensstil eines Asketen und die Rolle eines einsamen Rufers in der Wüste.
Trotzdem oder gerade deshalb geht von ihm eine große Faszination aus. Obwohl er seinen Zuhörern nicht im geringsten schmeichelt, strömen sie in Scharen zu ihm und lassen sich von ihm - daher sein Beiname „der Täufer“ - im Jordan taufen und damit von ihren Sünden reinwaschen. Wie ernst es ihnen damit in Wirklichkeit ist, steht zwar auf einem anderen Blatt.
Aber immerhin ist die Verkündigung des Johannes samt ihrer Wirkung ein Beleg dafür, dass die Menschen nicht nur auf das hören, was sie hören wollen, sondern auch für unangenehme Wahrheiten durchaus aufgeschlossen sind. Sie empfinden diese wie ein notwendiges und reinigendes Gewitter nach einer Reihe von schwülen Sommertagen, mag auch der Weg zur Bereitschaft, daraus persönliche Konsequenzen zu ziehen, noch lang sein. Politiker könnten davon viel lernen und daraus den Mut schöpfen, ihren Wählern auch unbequeme Erkenntnisse zuzumuten.
Zur Größe Johannes des Täufers gehört indessen nicht nur seine Zivilcourage und seine unbestechliche Art, sondern auch das Zurücknehmen der eigenen Person. Denn er hat ja vor allem die Aufgabe, Jesus Christus anzukündigen. Das bedeutet für ihn jedoch, sich selbst ins zweite Glied einzuordnen. „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh. 3, 30), sagt Johannes im Hinblick auf Jesus. Denn er sei es nicht wert, sich „vor ihm zu bücke(n) und die Riemen seiner Schuhe (zu) löse(n)“ (Mark. 1 7).
Das Kirchenjahr bildet diesen Gedanken ab. Es begeht nämlich den Geburtstag des Täufers in der Zeit der Sommersonnenwende. Dann sind die Tage am längsten, und von da an werden sie wieder kürzer. In der dunkelsten Jahreszeit dagegen, genau sechs Monate später, wird die Geburt Jesu gefeiert, und vom Weihnachtsfest an wird es täglich wieder länger hell.
Am Ende fällt auf das Leben des Täufers selbst ein Schatten. Er hatte nämlich nicht nur den einfachen und einflusslosen Leuten ins Gewissen geredet, sondern war auch vor den Mächtigen nicht eingeknickt und hatte sich von ihnen nicht einschüchtern lassen. Das sollte ihn teuer zu stehen kommen und ihm zum Verhängnis werden: Als er den Fürsten Herodes Antipas seiner unrechtmäßigen Ehe und anderer Skandale bezichtigt, erfolgt Festungshaft und schließlich die Hinrichtung. Da bringt Johannes es nicht mehr zusammen, dass der Christus, der Messias, gekommen sein soll, während er, sein Bote und Herold, nun, der Willkür eines drittklassigen Potentaten preisgegeben, hinter Kerkermauern schmachten muss
In dieser Situation schickt er Boten zu Jesus. Die sollen ihn fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten“ (Matth. 11, 3)? Die Antwort, die ihm darauf zuteil wird, ist weder ein klares Ja noch ein klares Nein. Sie ergeht vielmehr in verschlüsselter Form: Aufgrund der Taten Jesu soll Johannes sich selbst einen Reim darauf machen, was es mit diesem auf sich hat. Das kann schwer genug sein, wenn man den Eindruck hat, davon selbst nicht berührt zu werden, sondern davon ausgeschlossen zu sein.
Trotzdem, obwohl Jesus ihn nicht äußerlich befreit, bleibt Johannes seiner Linie treu. Vielleicht ist ihm dazu die Kraft zugewachsen, weil inmitten all seiner Anfechtung auch an sein Ohr gedrungen ist, dass Christus in einem Wort königlicher Freiheit gesagt hat: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können“ (Matth. 10, 28). Denn wenn auch der Anschein dagegen spricht, so steht Gott doch zu den Seinen und führt sie zu seinem Ziel.

Artikel vom 24.06.2006