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Beim Arbeitskampf können Leihmediziner aus Osteuropa nicht eingeflogen werden.

Leitartikel
Wenn Kliniken krank sind

Allianz pro
Gesundheit
statt Streik


Von Ernst-Wilhelm Pape
Krankheiten sind keine variable Konjunkturgröße. Deshalb können Arbeitskämpfe in Krankenhäusern, wie sie jetzt in den kommunalen Kliniken drohen, nicht mit Streiks in Industriebetrieben gleichgesetzt werden.
Im Gegensatz zu anderen Unternehmen können Kliniken nach den geltenden gesetzlichen Regelungen im Gesundheitswesen die Mehrkosten eines Tarifabschlusses sowie weitere Kostenschübe - wie zum Beispiel die mit der Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozent verbundenen zusätzlichen finanziellen Belastungen - nicht durch Preiserhöhungen oder durch Weitergabe an die Beitrags- und Steuerzahler refinanzieren. Auch die Möglichkeit, Kostensteigerungen bei der Abrechnung mit den Krankenkassen automatisch zu berücksichtigen, existiert nicht.
Bei Streiks in Kliniken wird es keine Aussperrungen von Ärzten geben, können Leihmediziner, zum Beispiel aus Osteuropa, nicht eingeflogen werden.
Doch es ist nicht ein begrenzter Arbeitskampf, der den Kliniken in erster Linie die Luft abschnürt, sondern es sind die Kürzungen staatlicher Mittel. Es gibt immer weniger Geld für medizinische Leistungen, zudem hat das Land NRW Geld für neue Krankenhausinvestitionen gestrichen und angekündigt, dass die Kommunen stärker zur Krankenhausfinanzierung herangezogen werden.
Obwohl viele Kliniken finanziell am Stock gehen, werden die Patienten weiter gut versorgt. Hier zogen Klinikleitung und Beschäftigte bisher an einem Strang. Jetzt scheren die Ärzte aus und fordern für sich bessere Arbeitsbedingungen. Sie wollen mit Streiks die Klinikleitungen treffen, die ihnen angeblich eine angemessene Bezahlung verweigeren. Sie wollen jemandem in die Tasche greifen, der kein Geld hat und auch keine neuen Geldquellen mehr erschließen kann.
Der Bürger reibt sich verwundert die Augen: Die Ärzte sprechen von unzumutbaren Arbeitsbedingungen, die Klinikleitungen wiederum von hoch bezahlten Medizinern, die finanziell nicht benachteiligt seien. Die Ärzte sprechen von unbezahlten Überstunden, den Klinikleitungen ist hingegen kein Arzt bekannt, der nach 70 Stunden Dienst übermüdet im Operationssaal einschläft.
Beide Seiten sollten mit dem Säbelrasseln aufhören. Bettruhe und eine Behandlung nach klarem Genesungsrezept sind angesagt. Werden Kliniken wegen Geldmangels in den Ruin getrieben, nutzt auch der beste Tarifvertrag nichts.
Ärzte, Klinikchefs und die Krankenhaus-Gesellschaften in den Ländern sind gut beraten, endlich eine Allianz pro Gesundheit zu gründen. Eine Allianz die gemeinsam Lösungen von der Politik verlangt, damit in Zukunft nicht auch noch jene Kliniken amputiert werden, die bisher wirtschaftlich gesund waren und die für die Zukunft auf jedem Fall gebraucht werden.
Eine Auseinandersetzung auf dem Rücken der Patienten darf es nicht geben. Denn zum Einen wollen Kranke gesund und zum Anderen nicht immer stärker zur Kasse gebeten werden.

Artikel vom 24.06.2006