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Torleute halten nichts vom Teamgeist

WM-Ball sorgt für Unmut bei den Schlussmännern - Adidas zufrieden

Stuttgart (dpa/Reuters). Der WM-Ball mit Namen Teamgeist macht bislang nicht allen Mannschaftsteilen bei der Weltmeisterschaft so große Freude wie den Stürmern. Mehrere der weltbesten Torhüter sind davon überzeugt, dass Hersteller Adidas bei der Entwicklung des Balles ihre Interessen nicht in den Mittelpunkt rückte.

Schon vor der WM prophezeite der französische Keeper Fabien Barthez, dass viele spektakuläre Weitschusstore zu bewundern seien dürfte. »Es ist heute viel schwieriger für einen Torwart als noch vor zehn Jahren«, sagte Barthez. Auch die deutsche Nummer Eins Jens Lehmann sah Probleme auf die Torhüter zukommen. »Es ist ein Ball für die Feldspieler und die Zuschauer - nicht für die Torhüter«, erklärte der 36-Jährige.
Schaut man sich die zahlreichen spektakulären Fernschüsse an, scheinen beide Recht zu behalten. Schon nach 32 Partien waren Spieler mit ihren Versuchen aus der Ferne 15 Mal erfolgreich, was einer Quote von 20 Prozent entspricht. 2002 in Südkorea und Japan waren insgesamt nur 15 Tore durch Weitschüsse gefallen. Die Quote lag bei 9,31 Prozent.
»Wenn man ihn richtig trifft, fallen die schönsten Tore«, bestätigt der deutsche Mittelfeldspieler Torsten Frings, der mit einem Schuss aus gut 20 Metern im Eröffnungsspiel gegen Costa Rica erfolgreich war und den Ball nach dem Abpfiff stibitzte. Portugals Keeper Ricardo erklärt es so: »Der Ball ist sehr leicht und bei hoher Geschwindigkeit bereitet er uns Torhütern große Schwierigkeiten.« Der Weltfußballverband FIFA kümmere sich mehr darum, wie man Tore erzielen könne, was das Leben der Torhüter naturgemäß ungemütlicher mache.
Der US-Amerikaner Kasey Keller, einer der erfahrensten Keeper des Turniers, sagte, der neue Ball lasse den Torhütern nur Sekundenbruchteile, um zu reagieren. »Er flattert, wenn er auf Dich zukommt und man weiß nicht, was man machen soll. Es ist definitiv kein Torwart freundlicher Ball.«
Aber er ist ein Verkaufsschlager: Bereits 15 Millionen Mal konnte Adidas den Teamgeist verkaufen. Das vorherige WM-Modell »Fevernova« ging nur sechs Millionen Mal über den Ladentisch. Angesichts der Erfolgszahlen reagiert das Drei-Streifen-Unternehmen aus Herzogenaurach empfindlich auf Kritik. »Wir verstehen die kritischen Äußerungen der Torleute als Einzelmeinung«, sagt Unternehmens-Sprecher Oliver Brüggen und versichert, »dass es sich beim Teamgeist um den rundesten, präzisesten und beständigsten Ball aller Zeiten handelt. Dies haben umfangreiche unabhängige Testreihen bewiesen.«
Drei Jahre hat Adidas am Teamgeist gefeilt. Das Besondere: Der Ball hat weniger Nähte als alle seine Vorgänger. Früher bestanden die Bälle aus bis zu 32 Vielecken, beim Teamgeist sind es nur 14 Teile. Zudem ist das Ventil so konstruiert, dass die kleinste Unwucht vermieden wird.
Wenigstens US-Trainer Bruce Arena, selbst ein ehemaliger Torwart, nimmt den Streit um den neuen Ball mit etwas Humor: »Die Torhüter werden solange nicht zufrieden sein, solange der Ball nicht quadratisch und schwer ist.«

Artikel vom 24.06.2006