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Der Rekordmann
van der Sar
hat einen Traum

Hollands Keeper will den Titel

Von Klaus Lükewille
Stuttgart (WB). Die Nummer 1 war der erste Mann. Edwin van der Sar (35) führte die niederländische Mannschaft als Kapitän in das letzte Vorrundenduell gegen Argentinien auf den Frankfurter Rasen.

Länderspiel-Einsatz Nummer 112 für den 1,97 Meter großen Torwart, der damit den bisherigen Rekord-Nationalspieler Frank de Boer eingeholt hat. Dass diese besondere Partie für van der Sar ohne Gegentreffer zu Ende ging, hierfür war er - wie schon bei vielen Auftritten im Oranje-Kasten - ganz allein zuständig. Denn in der 76. Minute meisterte der Schlussmann einen Schuss von Carlos Tevez, den man nicht unbedingt halten musste.
An diesem Sonntag, im Achtelfinale gegen Portugal in Stuttgart, übernimmt van der Sar mit Nominierung 113 die alleinige Führung in der Hitliste. Und wenn er auch dieses Spiel ohne Gegentor überstehen sollte, könnte sich vielleicht doch noch ein großer Traum erfüllen: »Ich möchte einmal eine erfolgreiche WM spielen.«
Schon 1998, in Frankreich, stand van der Sar zwischen den Pfosten: Endstation vor dem Endspiel. In einem der besten WM-Spiele aller Zeiten scheiterten die Niederlande in Marseille im Halbfinale gegen Brasilien erst nach Elfmeterschießen. Ausgerechnet sein Kollege Claudio Taffarel wurde zum Helden, der zwei Elfmeter meisterte. Van der Sar packte keinen und schlich als enttäuschter Verlierer in die Kabine.
Sein Blick zurück: »Wir hatten damals eine Klasse-Truppe. Mit Davids, Seedorf, Bergkamp, Kluivert und den Brüdern de Boer. So stark waren wir nie wieder besetzt.« Mit Philipp Cocu steht neben van der Sar nur noch ein Spieler aus der Elf von vorgestern im Aufgebot von heute. Und der Torwart hat Zweifel, dass der WM-Weg in Deutschland noch durch mehrere Stadien führen wird: »Die Qualität in unserem Kader ist nicht mit dem 98er-Aufgebot vergleichbar. Es wird sehr schwer. Wir müssen uns erheblich steigern, sonst kann gegen Portugal schon alles vorbei sein.«
An van der Sar soll es nicht liegen. Er spielt seit Jahren auf hohem Niveau und staunt über sich selbst: »Ich glaube, ich werde immer noch besser.« Ajax Amsterdam, Juventus Turin, FC Fulham, und seit 2005 letzter Mann bei Manchester United, das ist eine eindrucksvolle Vereins-Vita. Trainer schätzen seinen Stil. Van der Sar spielt immer mit, er kann auch den Libero geben. Bondscoach Marco van Basten lobt die Nummer 1: »Edwin ist ein großer Rückhalt. Und dazu noch ein echter Kumpel, der im Mannschaftskreis höchste Anerkennung genießt.«
Der lange van der Sar, eben ein ganz anderer Torwart-Typ als seine Vorgänger. Jan Jongbloed, beim verlorenen WM-Finale 1974 gegen Deutschland erste Wahl, wirkte immer etwas schläfrig und tapsig. Hans van Breukelen, mit dem sie 1988 Europameister wurden, »brannte« 90 Minuten lang. Ein ganz heißer Keeper, den van der Sar nie kopieren würde. Er bleibt immer eiskalt.

Artikel vom 24.06.2006