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Kompetenz-Wirrwarr kritisiert

Hartz IV-Ombudsrat legt Abschlussbericht vor - Neuorganisation gefordert

Berlin (Reuters). Der Ombudsrat für die Arbeitsmarktreform Hartz IV hat Kompetenz-Wirrwarr kritisiert und eine Neuordnung der Verwaltung gefordert.

»Das gravierende Problem der an sich richtigen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe liegt in der verfehlten Organisationsentscheidung«, heißt es in dem Abschlussbericht, der am Freitag veröffentlicht worden ist. Die einst vom Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gefundene Lösung sei nicht praktikabel. Klare Strukturen seien nur durch eine Neurorganisation zu schaffen.
Das Beschwerdegremium schlägt dazu eine eigenständige Organisation mit weitgehendem Ermessensspielraum vor. In den steigenden Kosten für das Arbeitslosengeld II sieht das Gremium eine Gefahr für das Solidarbewusstsein der Gesellschaft. Die steigenden Ausgaben gingen jedoch nur bedingt auf Leistungsmissbrauch zurück.
Der Ombudsrat war im Dezember 2004 einen Monat vor In-Kraft-Treten der Reform von der Bundesregierung berufen worden, um die Reform kritisch zu begleiten. Seine drei Mitglieder - die frühere Familienministerin Christine Bergmann, der einstige Gewerkschaftschef Hermann Rappe und der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf - erhielten dem Bericht zufolge mehr als 70 000 Anfragen.
In dem gut 40-seitigen Bericht kritisieren sie vor allem die Entscheidung des Vermittlungsausschusses, die Organisation vor Ort aufzuspalten. Union und SPD hatten sich im Dezember 2003 nicht auf ein einheitliches System verständigen können. Auf Drängen der Union gibt es 69 Optionskommunen, die in Alleinregie Langzeitarbeitslose betreuen. In 345 Arbeitsgemeinschaften arbeiten Agenturen für Arbeit und Kommunen als Verbund zusammen. In 19 Kommunen nehmen beide ihre Aufgaben getrennt wahr.
Die Mischverwaltung von Agenturen für Arbeit und kommunalen Sozialämtern weise weiter organisatorische Mängel auf, heißt es in dem Bericht. »Unklare Zuständigkeiten in Bezug auf das Personal, das Budget und das Sachvermögen behindern wesentliche Teile der Aufgabenerledigung.« Die Arbeitsgemeinschaften litten unter einem ständigen, oft zeitaufwendigen Abstimmungsbedarf zwischen Einflussnahmen aus der Kommunalpolitik und zentralen Vorgaben etwa aus dem Bundesarbeitsministerium und der Bundesagentur für Arbeit. Der Rat empfiehlt eine Neuordnung, mit der den Arbeitsgemeinschaften die Verantwortung »als weitgehend selbstständige Organisationen« der BA übertragen wird.
Der Rat warnt zudem vor zu großen Erwartungen an einen Abbau der Arbeitslosigkeit und fordert eine Debatte über einen neuen, öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Für einen großen Teil der Langzeitarbeitslosen sei auch bei Besserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht realistisch.
»Soweit es um die Vermittlung Jugendlicher und Arbeitsloser unter 25 Jahren geht, waren die Vermittlungsbemühungen nicht ohne Erfolg«, heißt es in dem Bericht. »Generell stoßen sie jedoch auf erhebliche Grenzen.«
Ein öffentlicher Beschäftigungsbereich könne Langzeitarbeitslosen neue Perspektiven bieten. Dringenden Handlungsbedarf sieht der Rat bei Mindestlohn und Kombilöhnen. Mit der Einführung der Grundsicherung sei praktisch ein Kombilohn entstanden, allerdings zufällig ohne politische Steuerung. Einen solcher Zustand sei unbefriedigend. Der Rat »hält Regelungen für einen differenzierten Mindestlohn, der die nicht tarifgebundenen Bereiche mit berücksichtigt, für notwendig.«
Informationen des Berliner »Tagesspiegel« zufolge will der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage der Bundesregierung vorschlagen, im Rahmen eines künftigen Kombilohnmodells das Arbeitslosengeld II abzusenken.
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Artikel vom 24.06.2006