24.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 


»Menschen helfen, die diese Hilfe brauchen«, das ist sein Credo immer gewesen, »unabhängig von Rasse und Hautfarbe, Religion und Nationalität.« So erklärt Uwe Jürgens auch seinen bedingungslosen Einsatz für das Deutsche Rote Kreuz. Kreisvorsitzender des DRK in Paderborn ist er seit fünf Jahren, engagierte Hilfe leistet er als Mitglied im Lions-Club sowieso. Dass indes ausgerechnet die unbedingte Spendenbereitschaft im Gefolge der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 die Menschen spendenmüde gemacht hat, sieht Uwe Jürgens als fatal an. Aufgeben wird er deshalb nicht, denn »das Geld ist da, man muss es nur finden«.
Wirtschaftsjurist hat er werden wollen, doch als Referendar wurde Uwe Jürgens ausgerechnet von dem Beisitzer einer Zivilkammer so beeindruckt, dass er sich für den richterlichen Dienst entschloss: »Der Mann war ein äußerst gerechter, subtiler und demütiger Richter«, erinnert er sich und zählt absolute Stärken dieses Berufsstandes auf. »Als Richter sollte man zuhören können oder man muss genau die Akten lesen. Diese Interaktionsmöglichkeiten sollte man ausloten, die Beteiligten nicht labern lassen.« Die Partei, die der Richter letztlich einzunehmen habe, sei das Recht, bekennt Jürgens. »Das ist eine Mathematikaufgabe, keine Hexerei.«
Als Präsident eines Landgerichts sei man im wesentlichen diesen Aufgaben entrückt. Die Richter »bleiben die Hauptdarsteller, ein Präsident zieht sich in die Rolle des Regisseurs zurück«, und die hat er seiner Ansicht nach gut ausgeübt. Dazu gehören Personalentscheidungen, die »nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden müssen«. Notwendig dafür ist wiederum ein funktionierendes Präsidium, »in dem man sich auch zoffen kann, in dem Entscheidungen nicht nur abgenickt werden«. Uwe Jürgens ist sicher, »in Bielefeld ein super Team zu hinterlassen« - trotz aller Animositäten. »Wir haben hier erwachsene, unabhängige Richter.« Es trägt in seinen Augen zudem zur Meinungs- und zur Persönlichkeitsbildung eines Juristen bei, sofern »Richter untereinander diskutieren«, wenn sie über Entscheidungen uneins sind. Jeder Entscheidung wohne ohnehin »ein Zweifel inne«, auch das sei der Ausdruck richterlicher Demut.
Eines indes ist für den scheidenden Präsidenten des Landgerichts kategorisch ausgeschlossen: »Ein Richter spricht nicht über seine Urteile, er spricht durch seine Urteile.« Soll zum besseren Verständnis heißen: Diskussionen in der Öffentlichkeit über ein bestimmtes Urteil meidet ein Richter wie der Teufel das Weihwasser. Diesen Grundsatz hat Uwe Jürgens Zeit seiner Karriere beherzigt und propagiert; als Präsident hat es Entscheidungen seiner Kollegen gegeben, die leidenschaftlich diskutiert wurden, Uwe Jürgens hat sich eines Statements stets verkniffen (siehe oben).
Ein Sakrileg ist für ihn eh die richterliche Unabhängigkeit, der Inhalt einer richterlichen Entscheidung müsse damit auch dem Zugriff der Dienstaufsicht entzogen sein. So sei es einem Dienstvorgesetzten untersagt, an einer ergangenen Entscheidung dienstaufsichtlich Kritik zu üben, sagte Uwe Jürgens bereits kurz nach seinem Dienstantritt am Landgericht Bielefeld. Und an dieser Ansicht mag er jetzt, zwölf Jahre später auch nicht rütteln.
Im übrigen genießen Entscheidungen von Strafjuristen um Schuld und Sühne für Uwe Jürgens sowieso ein hohes Maß der Unantastbarkeit. Diese Richter müssen für ihn neben »dem Handwerkszeug auch die Überzeugung« mitbringen, jemanden aus innerer Überzeugung verurteilen zu können, und »deshalb ist das Strafrecht eine hohe Leistung meiner Kollegen«, sagt der Zivilrichter neidlos anerkennend.
Uwe Jürgens wird sich im Ruhestand kaum zurücklehnen, will sich indes auch nicht auf die rastlose Suche nach neuen Betätigungsfeldern machen. Er wird sich mehr denn je um den heimischen Garten kümmern, seine Französisch-Kenntnisse verbessern und sein Golf-Handicap in annehmbare Regionen reduzieren.
Von seiner leidenschaftlichen Unterstützung für die Fußballer des Hamburger SV wird der Hanseat sowieso nicht lassen, und das führt er seinen Enkelkindern schon einmal als Kleinfeldkicker auf dem Tip-Kick-Brett vor. »Die gelben Spieler waren für mich immer verpönt - seit die Dortmunder Borussen dem HSV 1957 die Deutsche Meisterschaft vermiest haben. Ich habe immer nur die roten Kicker benutzt -Êund ihre Füße für diverse Schusstechniken zurecht gefeilt . . .«

Artikel vom 24.06.2006