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Glaube - Stärke - Siege

Die Erfolgsformel von Bundestrainer Jürgen Klinsmann geht auf

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
München/Berlin (WB). Da waren's nur noch drei. Drei Siege bis zur heiß gehandelten Änderung des WM-Slogans. Die Welt zu Gast bei Freunden? Schön, wunderbar. Die Welt zu Gast beim Weltmeister! Klingt irgendwie noch viel besser.

Nach dem 2:0-Sieg im Achtelfinale gegen Schweden jedenfalls steht die Fußballwelt der deutschen Mannschaft offen. Vor dem Anpfiff waren die Spieler noch unsicher, jetzt sind sie ganz sicher: Sie können den Titel holen.
Bislang hat meist nur der Cheftrainer davon geredet; Jürgen Klinsmann verfolgte das Ziel immer offensiv. Nicht einen Zentimeter weicht der 41-Jährige nun davon ab. Nicht nach dieser Vorstellung, die in der ersten halben Stunde das mit Abstand Beste war, was eine DFB-Elf seit Jahren veranstaltete. »Wir haben einen Lauf - den wollen wir fortsetzen«, schwärmte Klinsmann.
Es ist der Glaube an die eigene Stärke, der den Fußballberg versetzt. Lukas Podolski hat mit sowas ohnehin noch nie größere Probleme bewältigen müssen, ein kleines vielleicht, weil er zu Beginn des Turniers auf sein erstes Tor warten musste. Das kam gegen Ecuador. Fällt das erste, fallen die nächsten, lautet die alte Torjägerweisheit. So geschah es auch in der Münchener WM-Arena.
Hier stürmt der Kölner in Zukunft für den FC Bayern; von seinem Antrittsgeschenk hatten bis auf die Schweden alle etwas. 4. Minute 1:0, 12. Minute 2:0. Rein damit und fertig. Wenn er einen Salto schlagen könnte wie sein persönlicher Vorbereiter Miroslav Klose, hätte Podolski wohl die »Prinzenrolle« gemacht. So klopfte er sich nur auf die Brust, rannte zur Bank, brüllte und strahlte.
Als »Poldi« später aus seiner neuen Kabine trat, hatte er die Fassung einigermaßen wiedergewonnen und mit Hinweis auf die Verfassung der Mannschaft verkündet: »Das war der erste Schritt. Wir wollen noch drei weitere gehen.« Über die Vorrunde sprach er schon nicht mehr. Die dort erzielten Erfolge waren nur dazu geeignet, die Möglichkeiten auszuloten und zu testen, wie weit die Reise im eigenen Land gehen kann. Mindestens ins Viertelfinale, so viel steht fest. Vielleicht wird es auch der fabulöse Titeltrip.
Dass der nächste Gegner einen großen Namen trägt, entspricht nur den Vorhersagen. Wozu also zusammenzucken vor Argentinien? Auch vor der Begegnung mit den Gauchos hat der Bundestrainer die Haltung klargemacht: »Die Spieler sind überzeugt, dass sie etwas reißen können. Die Argentinier sollen anrücken - wir haben keine Angst vor ihnen. Wir sind absolut in der Lage, ins Halbfinale zu kommen und auch ins Finale.«
Der Bundestrainer steht zu der Extremeinschätzung, dass ein Aus im Viertelfinale als WM-Gastgeber, dazu im Fußballand Deutschland, »eine Katastrophe« wäre. Klinsmann sieht das so. Er lässt damit keinen Zweifel daran, was in den zwei verbleibenden WM-Wochen noch alles abgehen soll - die Heimspieler wollen hier und jetzt den ganz großen Hammer auspacken. Die sagenhafte Unterstützung der Anhänger ist ihnen bei dieser eigentlich für unmöglich gehaltenen Unternehmung gewiss.
Deutschland ist derzeit eben das Li-La-Laune-Land, und wer wen angesteckt hat, ist nicht von Belang. Der Mannschaft half es bisher, aus der Last eine Lust zu machen und den Druck ein bisschen zu verringern. »Wer ein Lachen im Gesicht trägt, kann nicht nervös sein. Und unsere Jungs lachen sehr viel«, versichert Klinsmann. Auch weil sie bis heute abend Freizeit haben.

Artikel vom 26.06.2006