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Von Klaus Lükewille

Mach doch
einfach Pause

Frühes Duschen birgt Risiken


Gelbe Karten? Kleinere Beschwerden? Müde Beine? Dagegen gibt es ein prima Rezept: Der Trainer spielt den Doktor und verschreibt, wenn die nächste Runde schon erreicht ist, mal schnell eine 90 Minuten lange Pause.
Jürgen Klinsmann schonte Christoph Metzelder, die Portugiesen traten gegen Mexiko ohne Deco, Cristiano Ronaldo und Pauleta an. Bei der Frankfurter Nullnummer spielte Argentinien ohne Vier, die Niederlande liefen ohne Fünf auf den Platz, ebenso wie Brasilien gegen Japan. Risiken und Nebenwirkungen gab es bei diesen Verordnungen in keinem Fall. Also alles richtig gemacht, Trainer.
Wie Sepp Herberger 1954. Sein Plan war weltmeisterlich: Beim Vorrundenduell gegen den großen Favoriten Ungarn ließ er acht Stammspieler draußen. Das 3:8 nahm er in Kauf. Die Geschichte ist bekannt: Als sich die Mannschaften im Berner Finale wiedertrafen, stand es am Ende 3:2 für Deutschland.
Schonung zur rechten Zeit ist große Kunst. Die punktuelle Pausen-Therapie für seine wichtigsten Leute beherrscht jedoch nicht jeder Trainer. Was ein weiterer Rückblick in die Fußballgeschichte beweist: Sir Alf Ramsey, Englands Weltmeister-Coach von 1966, holte vier Jahre später in Mexico seinen Regisseur Bobby Charlton nach einer Stunde vom Platz. Seine Elf führte 2:0. Was sollte da noch passieren? Wie sich zeigte: ein typischer Fall von Fehldiagnose. Denn dass die Deutschen ein Spiel nicht so schnell verloren geben, hätte der Sir wissen müssen. Gemeinsam mit Charlton verfolgte er auf der Bank den weiteren Verlauf. Endstand: 3:2 für Deutschland.
Sven-Göran Eriksson, heute Englands Chefcoach, konnte einen Fehler wenigstens korrigieren. Eigentlich wollte er Steven Gerrard gegen Schweden eine Pause gönnen. Aber nach 69 Minuten, als es immer enger wurde, schrieb er seinen Patienten ganz schnell wieder gesund. Gerrard rettete auf der Linie und erzielte ein Tor.

Artikel vom 23.06.2006