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Milde Strafe für
Unglückspiloten

Prozess um Seilbahntragödie von Sölden

Innsbruck (dpa). Im Prozess um die Seilbahntragödie von Sölden in Tirol ist der angeklagte Hubschrauberpilot gestern zu 15 Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt worden. Ein Innsbrucker Landesgericht sprach Marcus J. wegen fahrlässiger Gemeingefährdung für schuldig.
Marcus J. und seine Anwältin im Gericht. Foto: dpa

Bei dem Unglück vom September 2005 waren neun Deutsche, darunter sechs Kinder aus dem Schwarzwald und drei Betreuer aus Bayern, getötet worden. Sieben weitere Menschen wurden schwer verletzt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 36 Jahre alte Pilot Mitschuld an der Tragödie hatte, weil er mit einem 700 Kilogramm schweren Betonkübel über die Seilbahn geflogen war. Dies sei gegen die Vorschriften gewesen.
Der Betonkübel hatte sich aus der Halterung des Transporthubschraubers ausgeklinkt, war auf die Seilbahn gestürzt und hatte eine mit Skiläufern besetzte Gondel in die Tiefe gerissen. Weitere Skifahrer waren durch die starken Schwingungen aus einer zweiten Gondel, die aber selbst nicht abstürzte, in den Tod geschleudert worden.
Bei seiner Vernehmung entschuldigte sich Marcus J. bei den Angehörigen und den Opfern. »Es tut mir sehr, sehr leid, was passiert ist«, sagte er im vollbesetzten Schwurgerichtssaal: »Ich hätte alles getan, um das Unglück rückgängig zu machen.« Ihm drohten bis zu fünf Jahre Gefängnis.
J. widersprach aber dem Vorwurf, er hätte nicht über die Seilbahn fliegen dürfen. Er sei überzeugt, dass die von ihm gewählte Flugroute die richtige gewesen sei, sagte der Tiroler. Er hätte sonst die Piste oder Wege überfliegen müssen, auf denen überall Menschen unterwegs gewesen seien. Der Betriebsleiter der Gletscherbahn habe auf seine Frage hin erklärt, dass er über die Seilbahn fliegen dürfe, aber auf Grund eines Skitrainings nicht über den oberen Teil der Piste.
Auch für den Chef des Hubschrauber-Unternehmens, Roy Knaus, gab es zu der vom Piloten gewählten Flugroute keine Alternative. »Man hat damals nicht geglaubt, dass so ein Unglück geschehen kann.«
Die Verteidigerin bezeichnete die Tragödie als »Verkettung unglücklicher Umstände«, die auch den Piloten »zum Opfer des Schicksals gemacht« hätten.

Artikel vom 23.06.2006