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Umstritten: Oddset-Wette.

Lotto im Blick der Gerichte

Urteil zu privaten Sportwetten - Folgen für staatliches Glücksspiel

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Noch vor dem Ende der Fußball-WM fallen beim Oberverwaltungsgerichte Münster erste Entscheidungen über die Zukunft privater Sportwetten. Zugleich müssen Richter klären, ob die 4000 Lottoannahmestellen in NRW eine größere Jugendgefährdung darstellen als private Wettbüros.

Die Verwaltungsgerichte Minden und Arnsberg hatten Untersagungsverfügungen von Ordnungsämtern gegen private Wettanbieter reihenweise abgelehnt, ihre Kollegen in Münster, Gelsenkirchen und Düsseldorf dagegen amtliche Schließungen für rechtens erklärt. »Inzwischen sind 190 Verfahren anhängig«, sagte OVG-Sprecher Ulrich Lau gestern dieser Zeitung. Am 27. Juni enden Fristen für die jeweiligen Parteien, um Stellungnahmen abzugeben. Lau: »Danach haben wir Entscheidungsreife«.
Ein staatliches Wettmonopol sei nur gerechtfertigt, wenn es der Bekämpfung der Spielsucht diene und dem Schutz »vor der besonders nahe liegenden Gefahr irreführender Werbung«. Diese Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts sind Grundlage des neuen NRW-Sportwettengesetzes. Die staatliche Sportwette Oddset musste sich vom Verfassungsgericht vorhalten lassen, sie sei nicht aktiv genug gegen Spielsucht und problematisches Spielverhalten einzelner.
In einer der 70 getroffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Minden entwickelt die dritte Kammer eine Lesart der Rechtslage, die zu erheblichen Auflagen für Lottoannahmestellen führen könnten.
Sowohl die Sportwetten, als auch die Tippspiele »6 aus 45« und Glücksspirale seien für Jugendliche leichter zugänglich als private Wettbüros. In der konkreten Entscheidung gegen die Stadt Bielefeld vom 9. Juni heißt es: »Annahmestellen von Westlotto sind für Jugendliche möglicherweise suchtgefährdender als private Annahmebüros, weil sie sich in der Regel in Zeitschriftenläden befinden, in denen Jugendliche zum Beispiel zum Kauf von ÝBravoÜ verkehren.« Jugendliche würde dort »wie zufällig« an Lotto-Produkte herangeführt, aber kein Jugendlicher befände sich zufällig in einer privaten Wettannahmestelle, zu der Zutritt generell erst von 18 Jahren an gewährt wird.
Gerichtssprecher Hans-Joachim Hüwelmeier wollte gestern nicht spekulieren, ob sich die Sichtweise derzeit zu mehrheitlicher Richtermeinung entwickele. Er sagte allerdings, auch ein anderes Verwaltungsgericht argumentiere so.
Unterdessen hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die so genannten DDR-Lizenzen, auf die sich Anbieter wie »Sportwetten Gera« und »betandwin« berufen, nicht bundesweit gültig sind. Die Inhaber der DDR-Lizenzen, die 1990 von Gewerbeämtern der ehemaligen DDR erteilt wurden, hatten bislang argumentiert, dass Artikel 19 des Einigungsvertrages zu einer Ausdehnung des Geltungsbereiches ihrer Lizenzen auf das gesamte Bundesgebiet führe.

Artikel vom 23.06.2006