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Steuern für Gesundheit erhöhen

Vorschlag der SPD-Spitze - Bundeskanzlerin Merkel zeigt Sympathien

Berlin (dpa). Zur künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens peilen führende Koalitionspolitiker trotz Widerstands in den eigenen Reihen massive Steuererhöhungen an. Nach Informationen des »Handelsblatts« aus Koalitionskreisen äußerte Kanzlerin Angela Merkel Sympathie für einen entsprechenden Vorschlag der SPD-Spitze.

Beitragszahler sollten im Gegenzug entlastet werden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte sich gestern offen für eine Teilfinanzierung aus Steuern. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und die CSU lehnten ein radikales Steuermodell ab.
Unionskreise wiesen jedoch die Darstellung, umfassende Steuererhöhungen seien in den Koalitionsspitzen bereits verabredet, als »Unsinn« zurück. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sagte dagegen, eine Steuerfinanzierung sei der »absolut richtige Ansatz«, um die Finanzierung auf eine breitere Grundlage zu stellen.
SPD-Fraktionschef Peter Struck bestätigte SPD-Pläne, die Gesundheitskosten längerfristig stärker über Steuergelder zu finanzieren. »Wir müssen weg von der Belastung der Arbeitnehmer durch ständige Beitragserhöhungen«, sagte Struck. Die Arbeitsgruppe Gesundheitsreform setzte ihre Beratungen fort.
Schmidt sagte, es gebe grundsätzlich zwei Wege, die Finanzierung des Gesundheitswesens auf ein breiteres Fundament zu stellen: »Finanzierung über Beiträge auf alle Einkommen oder Finanzierung über Beiträge und aus dem Steueraufkommen.« Sie sei offen für jede gute Lösung. »Eine reine Steuerfinanzierung kommt nicht in Frage.«
Die SPD-Spitze will einen dauerhaften Steuerzuschuss von 30 bis 45 Milliarden Euro einführen. Dies solle jetzt beschlossen werden und zwischen 2008 und 2010 in mehreren Schritten verwirklicht werden. Dazu sollten die Einkommenssteuer oder Verbrauchssteuern erhöht werden. Die Kassenbeiträge könnten so um 3 Prozentpunkte gesenkt werden.
Müller kritisierte die Diskussion über eine Steuererhöhung mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro als »Gespensterdebatte«. Auch Steuern belasteten die Erwerbseinkommen. Der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr kritisierte: »Das ist der Weg in eine steuerfinanzierte Einheitsversicherung.« Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte dagegen, Steuererhöhungen seien zur Finanzierung des Gesundheitssystems die solidarischste Form.
Merkel habe beim Spitzentreffen der Koalition am Sonntag dafür plädiert, bei der Steuerfinanzierung der Krankenkassen deutlich über die 16 Milliarden Euro hohen Kosten der Kinderversicherung hinauszugehen, berichtete das »Handelsblatt«. CSU-Chef Edmund Stoiber habe allerdings gegen massive Steuererhöhungen protestiert.
Nach Angaben aus Unionskreisen zielt die Koalition bei der geplanten Strukturreform des Gesundheitswesens auf Einsparungen von zwei Milliarden Euro ab. Schmidt sagte, noch sei offen, wie die Koalition das 2007 drohende »erhebliche Defizit« der Krankenversicherung ausgleicht. Die Regierung geht von einem Sieben- Milliarden-Loch aus.
Schmidt zeigte sich zuversichtlich, bei einer Entscheidung für einen Gesundheitsfonds ohne von der SPD abgelehnte Zusatzbeiträge zu Lasten der Versicherten auszukommen. »Beschließen wir einen Fonds für die Gemeinschaft der Versicherten, dann plädiere ich dafür, den Kassen unterschiedliche Möglichkeiten zu geben, Zusatzbelastungen auszugleichen.« Die zuständige Ministerin nannte Rabatt-Verträge, damit Arzneimittel kostengünstiger werden, oder kostensparende Hausarzt-Verträge.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) unterstützte Forderungen des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium nach mehr Wettbewerb an Stelle von mehr Regulierung im Gesundheitssystem.

Artikel vom 23.06.2006