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Kleiner Mann, ganz groß:
Italien baut auf Cannavaro

Der Turiner gilt als bester Abwehrchef der Welt

Kaiserslautern (dpa). Klein, aber oho! Gegen Australiens robuste Stürmer vertraut Italien im Achtelfinale ausgerechnet auf seinen Kleinsten: auf Fabio Cannavaro.

Wohlwollend gemessen, kommt der 32-Jährige gerade mal auf 1,75 Meter Körpergröße. Dennoch ist der kleine Turiner einer der ganz Großen bei den Azzurri; der Kapitän der Mannschaft gilt als bester Abwehrchef der Welt. Gegen die australischen Hünen brauche Italien heute in Kaiserslautern keine Schönspieler, meint Torwart Gianluigi Buffon. Da müssten echte Kerle ran: »Kämpfer wie Cannavaro, der ein Fußballspiel als Schlacht versteht.«
»Das wird ein sehr harter Kampf«, sagte Cannavaro. Wegen seiner großen und athletischen Fußballer sei Australiens Überraschungsteam nicht zu unterschätzen, warnte der Mann mit den kurzgeschorenen Haaren. Dennoch ist Cannavaros Botschaft an sein Team unmissverständlich: »Wir müssen Australien schlagen und ins Viertelfinale«.
Auch die Kritik der italienischen Presse nimmt er von Zeit zu Zeit in Kauf. Als die nach dem enttäuschenden 1:1 gegen die USA schönen und offensiven Fußball vermisste, wagte es Cannavaro, die Besinnung auf Italiens Defensivtugenden zu fordern. Lieber notfalls mit dem berüchtigten Catenaccio zum Erfolg als mit Schönspielerei nach Hause, lautet Cannavaros Motto gegen die kampfstarken Australier.
Cannavaro und Keeper Buffon spielten schon gemeinsam beim AC Parma und sind nun eine Achse beim skandalumwitterten Rekordmeister Juventus Turin. Buffon weiß also, was er an seinem wichtigsten Vordermann hat - ebenso wie Nationaltrainer Marcello Lippi: Mit 96 Länderspielen ist Cannavaro der erfahrenste Nationalspieler. Noch nie hat Lippi auf seinen Abwehrchef verzichtet. Italiens legendärer Weltmeistertrainer von 1982, Enzo Bearzot, lobte Cannavaro sogar als den »bislang besten Spieler Italiens bei der WM«. Mit ihm ist Italien seit 21 Spielen ungeschlagen. In Deutschland kassierten die Azzurri erst ein Gegentor, und das schossen sie durch Cristian Zaccardo auch noch selbst.
Erfahrung, Durchsetzungsfähigkeit und vor allem ein perfektes Auge für die Spielsituation machen Cannavaros Extraklasse aus und ihn auf dem Betzenberg gegen Australien so wertvoll. Cannavaro begann seine Karriere zu den glorreichen Zeiten von Diego Maradona beim SSC Neapel. Tief beeindruckt von Ciro Ferrara, eiferte er aber nicht dem in Neapel wie einem Heiligen verehrten Argentinier nach, sondern verlegte sich auf die Torverhinderung. Die Tifosi bewundern den fairen Kämpfer, die weiblichen Fans den Modellathleten, der pünktlich zur WM in Dolce & Gabana-Unterwäsche mit männlich-entschlossenem Blick von Deutschlands Litfaßsäulen herabschaut. Wie auf dem Platz ist Cannavaro aber auch im Privatleben ein Teamspieler: Statt wilder Affären mit diversen Showgirls genießt der Neapolitaner das Familienleben mit seiner Frau und den zwei Kindern.

So spielen sie
Italien: 1 Buffon - 19 Zambrotta, 5 Cannavaro, 23 Materazzi, 3 Grosso - 8 Gattuso, 21 Pirlo, 20 Perrotta - 16 Camoranesi, 10 Totti - 11 Gilardino
Australien: 1 Schwarzer - 3 Moore, 2 Neill, 14 Chipperfield - 23 Bresciano, 13 Grella, 4 Cahill, 5 Culina - 21 Sterjovski, 11 Kewell (8 Skoko) - 9 Viduka
Schiedsrichter: Cantalejo (Spanien)
bisherige Duelle: keine

Artikel vom 26.06.2006