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Kliniken steht der Ärztestreik ins Haus

Die Urabstimmung hat gestern begonnen

Von Sabine Schulze
Bielefeld (sas). Einig sind sich Dr. Johannes Kramer und Dr. Theodor Windhorst nur in einem Punkt: Ein Streik der Ärzte an den kommunalen Krankenhäusern, die seit gestern zur Urabstimmung aufgerufen sind, ist wahrscheinlich.

Ansonsten vertreten der Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Mitte und Rosenhöhe und der Bezirksvorsitzende der Ärztevereinigung Marburger Bund (und zugleich Chefarzt der Thoraxchirurgie in »Mitte«) höchst unterschiedliche Positionen.
Für Kramer ist juristisch noch längst nicht klar, ob die Ärzte überhaupt streiken dürfen. »Es gibt ja einen Tarifvertrag.« Windhorst sieht das anders: »Wir sind im September aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ausgestiegen.« Zu den von ihm kritisierten Punkten gehört, dass ein junger Arzt bei einem Klinikwechsel immer wieder »von vorne« anfangen müsse oder es keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gebe. »Außerdem ist der Verdienst der Ärzte seit 1993 um 7,3 Prozent zurückgegangen.«
Deutlich mehr Gehalt wäre also nötig, meint Windhorst - vor allem für die jungen Ärzte. »Ihre Arbeit muss vernünftig entgolten werden. Nur so können wir die Abwanderung ins Ausland verhindern.« Die kommunalen Arbeitgeberverbände hingegen befürchten Kosten, die die Krankenhäuser überfordern würden und nicht aufzufangen wären. Kramer: »Ich rechne mit drei Millionen jährlich. Effizienzsteigerungen sind nicht möglich, man wird Leistungen reduzieren müssen.« Er prophezeit, dass vor allem kleinere Häuser in die Insolvenz getrieben würden. Und meint, es gehe dem Marburger Bund vor allem um Macht.
Seit gestern läuft die Urabstimmung der Mediziner. Am Wochenende soll ausgezählt werden, in der kommenden Woche könnte es zum Streik kommen. »Unklar ist noch die Art des Streiks. Einen Flächenstreik wird es sicher nicht geben«, sagt Windhorst. Denkbar wären Schwerpunktstreiks, denkbar wäre auch, dass zwar operiert wird, aber keine Dokumentation zwecks Qualitätssicherung erfolgt. »Vielleicht machen wir auch eine aktive Mittagspause. Das heißt, wir operieren nicht durch, sondern machen Pause.« Schon der Dienst nach Vorschrift, meint Windhorst, werde die Krankenhäuser hart treffen.
»Klar ist, dass Patienten nicht zu Schaden kommen sollen, Notfälle werden versorgt werden«, betont Windhorst. Die Patienten sollen vom Protest möglichst wenig betroffen werden, die Geschäftsführer um so mehr. »Die wollen wir an ihre Fürsorgepflicht für ihre Arbeitnehmer, die mit dauernden unbezahlten Überstunden Budgets ausgleichen, erinnern.«
460 Ärzte sind an den Städtischen Kliniken beschäftigt. Ihr Organisationsgrad, schätzt Windhorst, dürfte bei mehr als 75 Prozent liegen.

Artikel vom 22.06.2006