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Komödie war
seine Stärke

Billy Wilder würde morgen 100

Von Christoph Driessen
New York (dpa). Billy Wilder, der morgen 100 Jahre alt geworden wäre, gilt als größter Komödienregisseur Hollywoods. Zum Beweis wird oft die Schluss-Szene von »Manche mögen's heiß« angeführt.
Billy Wilder gilt als größter Komödienregisseur der Traumfabrik Hollywood.Foto: dpa

Ein Millionär hat sich in eine Musikerin verliebt, doch am Ende lüftet sie ihre Perücke und gesteht ihm, dass sie in Wahrheit ein verkleideter Mann ist. Sein Kommentar: »Nobody is perfect.«
Für Marlene Dietrich war Billy Wilder »der witzigste Mann, dem ich je begegnet bin«. Die Distanz und der Zynismus des Zugereisten aus Old Europe befähigten ihn, sich so trefflich und tiefsinnig über Amerika lustig zu machen. Der Regisseur, der vielleicht die meisten Hollywood-Klassiker drehte, stammte aus einem der hintersten Winkel der österreichisch-ungarischen K.u.K-Monarchie, aus Galizien (heute Polen). Doch bereits seine Mutter war so amerikaversessen, dass sie ihn Billie nannte - nach dem Westernhelden Buffalo Bill. Schon früh stand für ihn fest, dass er nach Hollywood gehen würde. Seine Frau Audrey hat es später einmal so ausgedrückt: »Lange bevor Billy Wilder Billy Wilder wurde, dachte er bereits, er sei Billy Wilder.«
Mit 18 Jahren schwirrte er als Reporter durch Wien. 1926 zog es ihn nach Berlin, in die brodelnde Metropole. Dort gelang ihm der Sprung ins Filmgeschäft - »die wichtigsten Jahre meines Lebens«. Er schrieb erfolgreiche Drehbücher, unter anderem für »Emil und die Detektive« nach dem Kinderbuch von Erich Kästner. »Dann kam Hitler, Feierabend.« Wilder, ein Jude, verließ Deutschland und machte sich ohne Englischkenntnisse auf nach Hollywood.
Es dauerte bis 1942, ehe er dort zum ersten Mal Regie führte. Doch schon ein Jahr später, nach seinem Erfolg mit »Frau ohne Gewissen«, bemerkte Alfred Hitchcock: »Die beiden wichtigsten Wörter im Kino sind nun Billy Wilder.« Es folgten Jahre des Triumphs, für die er sieben Oscars einheimste.
Mit »Sunset Boulevard« wagte er bereits 1950 in seiner Anfangszeit eine zynische Abrechnung mit der Traumfabrik Hollywood: Die abgehalfterte Stummfilm-Diva Norma Desmond sitzt in einer heruntergekommenen Villa und wartet auf ihr Comeback. Auch Wilder hat in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens keine Aufträge mehr bekommen, obwohl er gern weitergemacht hätte. Studiobosse hatten kein Interesse mehr an dem »Letzten Mohikaner des alten Hollywood«. Als er am 27. März 2002 mit 95 Jahren in Beverly Hills starb, war er längst zur Legende geworden.

Artikel vom 21.06.2006