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Zico kann über Brasilien
immer noch staunen

Gruppe F: Japan scheiterte schon gegen Australien

Von Klaus Lükewille
Dortmund (WB). Nein, das war an diesem Tag nicht seine Hymne. Er hat zwar den brasilianischen Pass in der Tasche. Aber als das Lied seines Landes gespielt wurde, schwieg Zico. Er trainiert schließlich die japanische Nationalelf - und er hätte den fünffachen Weltmeister nur zu gern besiegt.

Aus dem 1:0 wurde ein 1:4. Japan geschlagen, Japan gescheitert. Und jetzt redete Zico. Monologe bis Mitternacht in der internationalen Pressekonferenz. Rechtfertigungen, Anklagen und Prognosen eines Mannes, der Abschied nimmt: »Mein Vertrag läuft aus. Ich werde gehen.«
Vier Jahre hat Brasiliens ehemaliger Mittelfeldstar die Auswahl betreut, sie zur WM geführt - und packt jetzt die Koffer: »Ich hatte gehofft, dass wir mindestens das Achtelfinale erreichen können.« Es reichte nicht, Zico reichte es dagegen schon nach den ersten 90 Minuten: »Der Fehlstart gegen Australien, das war für uns bereits der K.o.-Schlag. Da führten wir 1:0 und kassierten in den letzten Minuten noch drei Treffer. Davon haben wir uns nie mehr erholt.«
Jetzt ziehen die »Aussies« nach dem 2:2 gegen Kroatien als Zweiter der Gruppe F in die nächste Runde ein und Zico kann nur den Kopf schütteln: »Diese Mannschaft ist doch nicht gut. Die haben wir 80 Minuten klar beherrscht. Ich kann den Italienern nur gratulieren: Sie haben im Achtelfinale den mit Abstand leichtesten Gegner erwischt.«
Um so bitterer für Zico, dass seine japanischen Kicker so früh scheiterten. Der Grund? »Ich beobachte das schon seit einiger Zeit: Gegen große Gegner können wir auf Augenhöhe mithalten, gegen Außenseiter schaffen wir es oft nicht, unser Spiel durchzusetzen.«
Mangelnde Konzentration, fehlende Kondition. Zico konnte auch mit Sondereinheiten diese Defizite nicht beheben: »Wir haben in der Hitze extra mehrfach um 15 Uhr trainiert. Und als wir dann um diese Zeit gegen Australien antreten mussten, ging meinen Leuten nach 70 Minuten die Puste aus.«
Zu wenig Luft in Deutschland - und dicke Luft in Tokio: Die »Mainichi Shimbun« konstatierte eine »vernichtende Niederlage«.
Als Verlierer räumt Zico die Bank. Seine Gesamtbilanz fällt aber trotzdem versöhnlich aus: »Ich bin dankbar, dass mir der japanische Verband diese Chance gegeben hat. Es war eine schöne Zeit, ich habe meine Arbeit gemacht. Jetzt suche ich eine neue Herausforderung.« Sein Ziel: ein Vertrag bei einem europäischen Spitzenclub.
Auf der Bank seines Heimatlandes wird für Zico vorläufig kein Platz sein. Da sitzt Carlos Alberto Parreira. Felsenfest. Der war 1994 in den USA schon Weltmeister, Zico ist dagegen noch ein Trainer-Lehrling. Und er konnte über das Kicker-Reservoir Brasiliens wieder einmal nur staunen: »Da fehlten zum Schluss sechs Stammspieler, und sie haben uns immer noch ausgetrickst und laufen lassen.«
Parreira war ebenfalls sehr angetan: »Wir haben eine gute Partie geliefert. Die Reservisten, die ich so gar nicht bezeichnen möchte, haben ihre Qualität gezeigt. Auch das 0:1 hat uns nicht geschockt. Wir haben das Spiel jederzeit kontrolliert.«
Erstmals bei dieser Weltmeisterschaft zeigte seine Auswahl Ansätze von Zauber-Fußball. Ob das am Dienstag an gleicher Stätte im Achtelfinale so weiter geht, bezweifelt Parreira: »Das wird ein hart umkämpftes Duell. Ghana ist ein ganz harter Brocken. Die spielen einen kraftvollen Fußball.«
Der Mann spricht aus Erfahrung. 1967/68 begann seine internationale Trainer-Karriere in Ghana. Er betreute die Elite-Auswahl und führte nebenbei noch SC Asante Kotoko zur Meisterschaft. Der Lohn: 100 Dollar im Monat.

Artikel vom 24.06.2006