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Werbung am
Handgelenk


Imagegewinn fürs Geschäft

Einkäufe in der Plastiktüte verstauen, nach Hause tragen, Tüte wegwerfen - das war einmal. Die gewöhnliche Tragetasche wird heutzutage, wenn die richtige Marke darauf steht, mehrfach gebraucht.
»Aus einer Zweckfunktion ist eine Vorzeigefunktion geworden. Die Menschen laufen gerne mit einer Einkaufstüte von Gucci durch die Stadt, auch wenn nur Leberkäse darin ist«, sagt der ehemalige Europa-Chef der Werbeagentur Grey, Bernd Michael. Schicke Tüten aus Plastik oder festem Papier haben Hochkonjunktur. Sie werden für viele Geschäfte und Marken zur günstigen Werbefläche. Der Wiedererkennungswert sei hoch: Tiffanys Tüte komme im bekannten Türkis daher, bei Boss ziere sie stilvoll stets den signifikante Schriftzug, erklärt Michael. »Die Gestaltung ist sehr unterschiedlich in Farbe, Form oder Aufdruck, aber erkannt werden die hinter den Tüten steckenden Marken immer.«
Anders als die Vorzeige-Tüten der Nobel-Marken, wird den an den Kassen der Supermärkte angebotenen Tragehilfen eine Zweckexistenz zugeschrieben. Michael: »Sie haben eine reine Schleppfunktion, müssen stabil sein und viel reinpassen sollte auch.« Das macht sich beim Preis bemerkbar: Während Edel-Boutiquen bis zu vier Euro im Einkauf für die Tüte investieren, kostet die Produktion einer Supermarkt-Tüte nur wenige Cent.
Ursprünglich war die Tüte lediglich eine Transporterleichterung, zunächst aus Papier hergestellt. In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde sie als Plastiktüte zum Symbol der Konsumgesellschaft. Auch die Ölkrise, wachsendes Umweltbewusstsein und die Jutetasche haben sie nicht vom Markt verdrängt. »Fast fünf Milliarden Tüten, davon 80 Prozent aus Plastik, wandern jährlich über die Ladentische«, hat Bernhard Sprockamp, Geschäftsführer des Industrieverbandes Papier- und Folienverpackungen, ausgerechnet. Die Polyethylen-Tragetasche, wie sie korrekt heißt, wurde zum Allzweckutensil: Man könne mit ihr Schlittenfahren, darin schmutzige Wäsche oder Schuhe aufbewahren, Liebesbriefe verstauen und sie als Regenschutz nutzen, stellte der Kölner Unternehmensberater Björn Stüwe in einer Studie fest. Und wenn die Tasche dann immer noch nicht komplett zerlöchert ist, verbringt sie ihre letzten Tage wieder voll beladen - als preiswerte Mülltüte in einem Abfalleimer. Sogar als »Charakterspiegel« bezeichnet Stüwe den Plastikbeutel. So habe der »Provokateur« selbst bei einem wichtigen Geschäftstermin eine Aldi-Tüte an der Hand. Der »Prestigeorientierte« trage selbst ein Brot in einer Gucci-Tüte, der »Ökologe« nutze jeden Beutel bis zum Zerfall, nur der »Sorglose«, der werfe die Tragetasche achtlos weg.

Artikel vom 21.07.2006