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Frage nach dem
Warum bleibt

Dokumentation zur Kindstötung

ARD, 22.45 Uhr: Die neun toten Babys von Brieskow-Finkenheerd in Brandenburg - der Fall gilt als beispiellos in der deutschen Kriminalgeschichte. Die Mutter der Kinder ist inzwischen wegen achtfachen Totschlags zu 15 Jahren Haft verurteilt, ein Fall war verjährt.

In der Dokumentation »Neun tote Kinder« versucht der Rundfunk Berlin-Brandenburg, die Hintergründe der Tat zu beleuchten. Die Redakteurinnen Sabine Tzitschke und Manuela Jödicke gehen Fragen nach dem Motiv nach, der Persönlichkeitsstruktur der Mutter und der Rolle des Umfelds. Der 45-minütige Film ist heute zu sehen.
»Wir versuchen, den Fall nachzuerzählen. Wir haben den Gerichtsprozess verfolgt, mit Arbeitgebern, Nachbarn, dem Schuldirektor, Klassenlehrern und Schulkameradinnen gesprochen«, sagt Jödicke. Ein Gespräch mit der verurteilten Mutter sowie dem früheren Ehemann, dem Vater der neun Säuglinge, kam allerdings nicht zu Stande. Bereits kurz nachdem die Leichen der Babys im Sommer vergangenes Jahres in einer Garage auf dem Grundstück in Brieskow-Finkenheerd entdeckt worden waren, hatten die beiden Redakteurinnen die Idee zu dem Film. »Uns hat die Anzahl der toten Kinder schockiert«, erläutert Jödicke. »Unser journalistisches Interesse lag darin zu erfahren, warum ist jemand so, welche Geschichte steckt dahinter.«
In der Dokumentation stellen die beiden Journalistinnen dar, dass die Angeklagte eine normale Kindheit hatte und ein nach außen angepasstes Leben führte. Das Mädchen sei sehr intelligent gewesen. »Interessant ist, dass der Frau viele Dinge einfach passiert sind. Ein Mal im Leben hat sie selbst entschieden und hat nicht, wie ihr Vater das wollte, bei der Bahn gelernt.« Der Film versucht zudem, die Rolle der Gesellschaft und der Zeit nachzuzeichnen. So sei einer Arbeitgeberin eine Schwangerschaft aufgefallen, die die Frau aber verleugnet habe. »In der damaligen hektischen Zeit war das Augenmerk für den anderen vielleicht nicht so gegeben. Andrerseits weiß man natürlich nicht, ob das etwas hätte verhindern können«, sagt Jödicke.
Nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat die gelernte Zahnarzthelferin acht Kinder zwischen 1992 und 1998 allein geboren und nicht versorgt, so dass sie starben. Danach vergrub die Frau die Neugeborenen in Gefäßen und stellte diese auf ihren Balkon. Die heute 40-Jährige, die sich mit Einsetzen der Wehen betrank, hatte sich in früheren Vernehmungen an Geburten in den Jahren 1988 - dieser Fall ist verjährt - und 1992 erinnert. Warum die Tat geschah, kann auch der Film nicht abschließend beantworten. »Das Geheimnis zum Warum wird die Frau wohl mit ins Grab nehmen«, glaubt Jödicke.

Artikel vom 21.06.2006