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SMS gibt es
nicht kostenlos

850 Anzeigen gegen Internetfirma

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Polizei und Rechtsanwälte warnen vor vermeintlich geschenkten SMS. »Unseriöse Anbieter verstecken die Kosten im Kleingedruckten und kassieren dann ab«, sagte der Bielefelder Anwalt für Internet-Recht, Marcus Beckmann, dieser Zeitung.
Simsen ist zum Volkssport geworden. Foto: Borgmeier

Die Deutschen verschicken mit ihren Mobiltelefonen 23 Milliarden Kurznachrichten im Jahr. Geschenkte SMS kommen da gerade recht. »Sie können 100 SMS pro Monat versenden«, las Anke O. (Name von der Redaktion geändert) auf der Internetseite »sms-heute.com«. Auf sie war die 27-jährige Frau in einem Portal mit Gratis-Proben gestoßen. »Ich dachte, das Angebot sei kostenlos, aber dann bekam ich plötzlich Post von einem Inkasso-Unternehmen«, sagte die Pädagogik-Studentin der Universität Bielefeld.
In dem Schreiben vom 31. Mai sei sie aufgefordert worden, binnen einer Woche 123 Euro zu zahlen: 84 Euro für den SMS-Service und 39 Euro Anwaltskosten. »Mir wurde mitgeteilt, dass ein Vertrag mit der Schmidtlein GbR zustandegekommen sei«, erzählt die gebürtige Cuxhavenerin. Am 9. Juni zeigte sie die Firma aus Büttelborn bei Großgerau (Hessen) bei der Bielefelder Polizei an.
Sie war nicht die erste: In den vergangenen drei Monaten seien fünf Anzeigen gegen den Betreiber eingegangen, sagte ein Kripo-Mitarbeiter. Die Firma stehe im Visier der Ermittler aus der Betrugsabteilung der Polizei Rüsselsheim, weil Kunden offenbar »unwissentlich in Vertrags-Abonnements gelockt« würden. Was die Mini-Firma tue, sei eine »Sauerei hoch fünf«, wettert der Sprecher des Polizeipräsidiums Südhessen, Dieter Wüst. Gegen die Schmidtlein GbR lägen 850 Anzeigen aus ganz Deutschland vor. Wüst: »Die Firma bewegt sich immer am Rande der Legalität. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat ihr Gebahren geprüft und festgestellt, dass strafrechtlich noch kein Betrug vorliegt.« Deshalb blieben die Anzeigen folgenlos. »Dass wir der Firma nicht das Handwerk legen können, finden wir traurig«, gibt Wüst ganz offen zu.
Nach Überzeugung des Anwalts für Internet-Recht, Marcus Beckmann, verstoßen die Betreiber von Seiten wie »www.simsen.de« und »www.sms-heute.com« gegen die Preisangabenverordnung. »Kennzeichen unseriöser Angebote ist, dass die Kosten versteckt werden«, erklärte der Jurist. Meist sei der Hinweis darauf so klein gehalten, dass ihn der Kunde nicht wahrnehme. Laut Preisangabenverordnung müssten die Kosten aber sofort erkennbar sein, betonte Beckmann. Er rät dazu, gegen einen Mahnbescheid fristgerecht Widerspruch einzulegen und einfach abzuwarten. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Anbieter dann aufgeben. »Auf keinen Fall zahlen«, rät der Jurist.
Wer die Seite »www.sms-heute.com« öffnet, erfährt erst über Umwege, dass er Geld berappen muss: »Ihre Testzeit verändert sich nach 14 Tagen zu einem Abo zum Preis von 7 Euro incl. Mehrwertsteuer monatlich bei einer Laufzeit von 24 Monaten mit einer jährlichen Abrechnung im Voraus.« Der verklausulierte Hinweis auf die Kosten schütze vor dem juristischen Straftatbestand des Betrugs, sei aber »moralisch zu verdammen«, wie es Polizeisprecher Wüst ausdrückt. Anwalt Beckmann forderte unterdessen Verbraucherschutzvereine auf, über solche SMS-Anbieter aufzuklären.

Artikel vom 21.06.2006