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Ein Stück Nachbarschaft
verschwindet bald

Helmut Frommenjohann schließt Feinkostgeschäft

Bielefeld (hu). Es ist in Bielefeld einer der letzten Lebensmittelläden »an der Ecke« - doch schon Ende dieser Wochen soll er schließen. Dann will Helmut Frommenjohann sein Feinkostgeschäft am Ehlentruper Weg 60 aus Altersgründen aufgeben. Verschwinden würde damit ein weiteres Stück Nachbarschaft - wenn sich nicht doch noch ein Nachfolger für den Betrieb findet.

Denn die Kundenfrequenz stimme, bis heute sei das Geschäft rentabel, erklärt Helmut Frommenjohann. Und doch finde sich niemand, der den inklusive Nebenräumen 165 Quadratmeter großen Betrieb weiterführen möchte. Ihm selbst falle es nicht leicht, Ende der Woche die Türen vermutlich für immer abzuschließen, »aber irgendwann muss ja mal Schluss sein«, sagt der 66-Jährige. Weiterhin täglich zwölf bis 14 Stunden für das Geschäft da zu sein, dabei bliebe vieles andere auf der Strecke. Die zwei Mitarbeiter, die außer Frau Regina und Sohn Swen in dem Feinkostladen beschäftigt sind, seien versorgt, erklärt Frommenjohann. Eine Mitarbeiterin gehe in Rente, ein Angestellter habe eine neue Stelle gefunden.
Als selbstständiger Betreiber übernommen hat Frommenjohann den Lebensmittelladen 1973, nachdem er dort zuvor zwölf Jahre lang als Verkäufer gearbeitet hat. Der Laden selbst besteht jedoch schon wesentlich länger. 1928 gründete ihn der damalige Konsum-Verein in dem damaligen Neubau das Geschäft.
Später übernahm es die Firma Lissle, die von einem ehemaligen Filialleiter von Frommenjohanns Ausbildungsbetrieb Timpel geführt wurde. 1973 wurde Frommjohann dann sein eigener Chef. In den mehr als 50 Jahren, die er im Lebensmittelhandel arbeite, habe er tiefgreifende Veränderungen erlebt. »Früher haben wir noch ganz viele Produkte wie Salz oder Zucker lose verkauft oder selbst abgepackt, Sauerkraut gab es aus dem Fass. Und die Konservendosen haben wir mit speziellen Greifzangen von den 2,60 Meter hohen Regalen geholt.« Und wenn am Gründonnerstag Heringe verkauft wurden, wurden diese von langen Eisstangen gekühlt, die lederbeschürzte Männer per Pferdefuhrwerk anlieferten.
Was heute verloren gegangen sei, so Frommenjohann, sei die Beratung. »Ich habe den Beruf von der Pike auf gelernt. Heute kann doch kaum noch jemand den Unterschied zwischen Hart- und Weichweizengrieß erklären.« Allein über das Thema Margarine habe er einmal einen 88-seitigen Aufsatz geschrieben.
Bis heute verkaufe er vor allem Qualitätsprodukte, und seine Frau Regina gebe jüngeren Kunden auch schon mal Rezept-Tipps etwa zur Wirsing-Zubereitung. »Es gibt einen Unterschied zwischen Essen und Genießen. Und wir verkaufen Genuss-Produkte«, sagt Frommenjohann.
Für die oft langjährigen Stammkunden - vor allem ältere Menschen aus der Nachbarschaft, die das Feinkostgeschäft auch beliefert, tue es ihm leid, sagt der 66-jährige. »Wie sind in der Gegend der letzte Laden dieser Art, die Nahversorgung ist bei einer Schließung auf jeden Fall stark eingeschränkt.«

Artikel vom 21.06.2006