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Professor Wolfgang Greiner, Universität Bielefeld

Die Gesundheitsreform hakt

SPD rebelliert gegen Beck - Fonds laut Bielefelder Experten untauglich

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Gesundheitsreform hakt. Bemerkungen über eine »kleine Pauschale« sorgte für Unruhe in der SPD. Bielefelder Forscher üben massiv Kritik am Gesundheitsfonds: Diese Finanzierungsart sei »untauglich und nur eine neue Form des Geldeinzugs«.

Während die Koalitionsrunde am Sonntagabend kaum Fortschritte erzielte, stieß SPD-Chef Kurt Beck auf erheblichen Widerstand. Tumult und Zwischenrufe bestätigten Ohrenzeugen einer Sitzung von Vorstand und Parteirat am Morgen danach. Becks Bemerkungen über ein Fondsmodell mit einer »kleinen Pauschale« führten zu heftigen Protesten. Die in der Höhe nicht bezifferte zusätzliche Prämie wird in SPD-Reihen offenbar als Zumutung empfunden. Der Extrabeitrag könne bis 40 Euro betragen, mutmaßte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stieß bei der SPD-Spitze mit ihrem möglichen Verzicht auf die Einbeziehung privater Krankenversicherer, bislang eine weitere Kernforderung der Sozialdemokraten, auf deutliche Ablehnung.
Zu dem geplanten Gesundheitsfonds, in den die Versicherten zusätzlich einzahlen müssten, sagte der Bielefelder Professor Wolfgang Greiner: »Das Modell ändert nichts an den Grundlagen, es bedeutet nur eine neue Art des Geldeinzugs«. Die Lohnabhängigkeit sei nicht aufgehoben, obwohl sich die Bevölkerungsstruktur erheblich ändere. Greiner: »Ökonomisch ist mit dem Modell nichts anzufangen.« Die zu schaffende Bürokratie mit hunderten neuen Stellen helfe angesichts wegbrechender Beitragszahler nicht weiter.
Modellrechnungen bis 2050 zeigten, dass sowohl Kopfprämienmodelle aus der Union wie das von Professor Bert Rürup langfristig erheblich aus Steuergeldern gespeist werden müssten, sagte Prof. Greiner dieser Zeitung. Zusammen mit der demographischen Arbeitsgruppe in Bielefeld und einem Versicherungsbetriebslehre-Institut in Hannover rechne man an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften neue Modelle durch.
Grundüberlegung dabei sei die Zahlung einer Kopfprämie von 105 Euro für alle Erwachsenen, auch den heute privat versicherten. Mit steigendem Einkommen sinke der Anteil erstattungsfähiger Leistungen jedoch auch für heute noch gesetzlich vollversicherte Mitglieder. Schon in einem Doppelverdienerhaushalt mit nur 2600 Euro Monatseinkommen sinke der Leistungsanspruch auf 70 Prozent. Das Restrisiko könnte, müsste aber nicht privat abgesichert werden.
Unterdessen haben die Privatkassen zurückgewiesen, sie seien unsolidarisch. Verbandsdirektor Volker Leienbach sagte, mit höheren Honoraren stütze man das Gesundheitswesen. Auch zahle jeder einen Beitrag, in der Gesetzlichen seien dagegen selbst Angehörige von Spitzenverdienern beitragsfrei.Themen der Zeit: Hintergrund/Kommentar

Artikel vom 20.06.2006