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105 Euro Gesundheitsprämie für alle

Nur bei erheblicher Leistungskürzung ein langfristig gesichertes System

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). In der Krankenversicherung sollen nach einem Modell Bielefelder Wissenschaftler alle Erwachsenen eine Kopfprämie zahlen. Zugleich werden mit steigendem Einkommen weniger Leistungen erstattet. Nur Sozialschwache sind voll abgesichert.
Bis 2050 reichen die Bielefelder Modellrechnungen für eine gesicherte Finanzierung des Gesundheitswesens.

Nach Angaben von Professor Wolfgang Greiner würde die Prämie für alle Erwachsenen zunächst 105 Euro, 2020 schon knapp 200 Euro, 2050 dann 800 Euro betragen. Vorstellbar sei auch ein einkommensabhängiger Beitrag, wenngleich die Bielefelder davon wenig halten. Das Finanzamt müsste anhand der Einkünfte auch aus Kapitalvermögen und Pachten die Beitragshöhe mit der Einkommensteuererklärung festlegen.
In einem Aufsatz für »Sozialer Fortschritt«, Ausgabe 8/2005 haben Bernd Hof und Claus Schlömer ihre Modellrechnungen »Zur Zukunftsfähigkeit von Kopfprämienmodellen für die GKV im anstehenden demographischen Wandel« vorgestellt. Dabei kommt heraus, dass Kopfprämienmodelle per se noch keine ausreichende Alternative zum bald unbezahlbaren System der Gesetzlichen Krankenversicherung bieten.
Sowohl das Modell der Union wie auch die von Rürup/Wille vorgelegte Alternative kommen mittelfristig ohne spürbare Steuererhöhungen nicht aus. Der Anteil öffentlicher Mittel steigt beim Unionsmodell bis 2050 auf 80 Prozent - letztlich ein steuerfinanziertes Gesundheitswesen.
Das Reformmodell bedeutet letztlich erhebliche Leistungskürzungen. Das wird deutlich an der Gegenüberstellung von Einkommensklassen und Leistungsanspruch: Unterschieden wird zwischen einem und zwei erwachsenen Zahlern pro Haushalt. Bei einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen bis 900 Euro beträgt der Leistungsanspruch in beiden Fällen 100 Prozent, eine private Zusatzversicherung wäre nicht erforderlich. Aber schon in der Klasse 1300 bis 1500 Euro beträgt im Alleinverdienerhaushalt der Leistungsanspruch nur noch 65 Prozent, Doppelverdiener sind dagegen noch zu 100 Prozent - sozusagen »gesetzlich« - voll versichert. Bei mehr als 5000 Euro Haushaltsnetto beträgt der Leistungsanspruch nur noch 5 beziehungsweise 10 Prozent.
Selbst das Reformmodell könne die Alterung der Gesellschaft im Zusammenspiel mit dem medizinischen Fortschritt nicht beseitigen, wohl aber seine Folgen fürs System erkennbar verringern, meint Hof. Zum eine werde das Solidaritätsprinzip durch die Kopfprämie für alle konsequenter verfolgt, zum anderen werde die Eigenverantwortung der Versicherten gefördert.

Artikel vom 20.06.2006