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Geld verloren:
Rentner-Paar
verklagt Bank

Wurden Anleger falsch beraten?

Von Christian Althoff
Vlotho (WB). Das Landgericht Bielefeld verhandelt morgen über die Klage eines Rentnerehepaares aus Vlotho (Kreis Herford). Eveline (53) und Ingo F. (61) fordern von ihrer Bank 870 000 Euro Schadensersatz.
Der Rechtsstreit füllt mehrere Aktenordner: Ingo und Eveline F. aus Vlotho bangen um ihr Zweifamilienhaus. Foto: Althoff

Eveline F. hatte in den 90er Jahren geerbt. Sie eröffnete bei der Dresdner-Bank-Filiale Minden ein Wertpapierkonto und schloss einen sogenannten Beratervertrag ab. Die jährlichen Kosten für diese Beratung betrugen 0,5 Prozent des Depotwertes, mindestens aber 750 Mark.
»1999 empfahl mir meine Beraterin, mein gesamtes Geld in den Filmrechtevermarkter Highlight Communication zu investieren«, erzählt die Rentnerin. Die Aktie, die am Neuen Markt notiert war, schoss tatsächlich in die in Höhe. Aus 347 000 Mark wurden innerhalb weniger Monate 1,9 Millionen Mark. »Auf Anraten der Bankkauffrau haben wir für die Gewinne weitere Aktien gekauft«, sagt Ingo F. Man sei so zufrieden gewesen, dass sich ein freundschaftlichen Verhältnis zu der Anlageberaterin entwickelt und man ihr aus einem Urlaub sogar eine teure Kette mitgebracht habe - was die Bankerin heute bestreitet.
Im Frühjahr 2000 begann der Kurs zu stürzen. »Wir waren gerade in Spanien. Ich habe bei der Bank mit der Absicht angerufen, alles zu verkaufen, aber die Beraterin sagte, das sei nur eine Kurskorrektur, wir sollten die Aktien auf jeden Fall halten.« Dieser angebliche Inhalt des Gespräches, das laut Einzelverbindungsnachweis mehr als neun Minuten gedauert hatte, wird heute von der Bank in Abrede gestellt. Eveline F. habe damals nur Urlaubsgrüße aus Spanien übermittelt.
Selbst als der Sinkflug immer steiler wurde, soll die Bank weiter vom Verkauf abgeraten haben - bis alles Geld vernichtet war. Heute haben Ingo und Eveline F. noch 68 000 Euro Schulden bei der Dresdner Bank: »Die hatte uns nämlich einen Kredit angeboten, damit wir noch mehr Aktien kaufen konnten, und wir haben zugestimmt«, sagt die Rentnerin.
»Manch einer hält uns vielleicht für verrückt, dass wir nicht eher ausgestiegen sind, aber diese Beraterin war quasi unsere Freundin. Sie hat uns Karten aus dem Urlaub geschickt und uns bei unserem Spitznamen genannt. Wir haben ihr voll vertraut«, sagt Ingo F. kopfschüttelnd. Die 870 000 Euro, die man fordere, entsprächen dem Wert des Aktiendepots zum Zeitpunkt des Anrufes aus Spanien, erklärt er. »Meine Frau wollte damals verkaufen, und es ist ihr ausgeredet worden.«
Der auf Kapitalanlagerecht spezialisierte Anwalt Jens Thursch aus Wedemark (Niedersachsen) hat die Klage für das Ehepaar eingereicht. Er sagt: »Die Bank hat das Ehepaar ins Verderben laufen lassen. Der sogenannte Beratervertrag hat meine Mandanten im Laufe der Jahre 10 000 Euro gekostet, aber sie sind nie beraten worden. Nur wenn sich das Ehepaar selbst mit einem Kauf- oder Verkaufswunsch gemeldet hatte, hat die Bank ihre Meinung dazu gesagt - und meistens vom Verkauf abgeraten.«
Der Anwalt glaubt, den Grund für das Verhalten des Geldinstitutes zu kennen: »Die Bank war ein sogenannter Designated Sponsor der Aktie und hatte sich gegenüber dem Unternehmen zur Kurspflege verpflichtet. Hätten das Ehepaar und elf weitere mit der Familie befreundete Anleger ihre insgesamt 37 000 Aktien auf einen Schlag verkauft, hätte die Dresdner Bank den Kurs stützen und die Aktien kaufen müssen.«
Eveline und Ingo F. beziehen zusammen etwa 1600 Euro Rente. »Wenn wir unser Geld nicht wiederbekommen, können wir die Hypothek für unser Haus nicht mehr bezahlen«, sagt der frühpensionierte Dreher.
Die Bank behauptet, Eveline F. habe immer hochspekulative Papiere haben wollen und sich nie beraten lassen. Sie habe sich selbst als erfahrene Anlegerin bezeichnet und angegeben, sich stets in Zeitungen und im Fernsehen über die Börse zu informieren. Zu dem morgigen Prozess wollte sich ein Sprecher der Dresdner-Bank-Verwaltung Ruhr/Westfalen in Dortmund gestern nicht äußern.

Artikel vom 20.06.2006