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Leichte
Gegner gibt's
nicht mehr

Aber keine Angst vor Schweden

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Berlin (WB). Es war nicht gerade so, dass die Gruppensieger nach getaner Arbeit gebannt vor der Glotze bibberten: bloß nicht die Engländer, die auf keinen Fall. Deutschlands Elf erwartet ihren Achtelfinalgegner, der nun Schweden heißt, ganz gelassen. Das wäre aber auch nicht anders, wären sie am Samstag ihrem alten Rivalen über den WM-Weg gelaufen.

Die späte Fernsehstunde ein paar Stunden nach dem eigenen 3:0-Sieg gegen Ecudaor erlebte Bernd Schneider auch nur aus dem Augenwinkel. Gelegentliches Hinsehen genügte dem Leverkusener, um zu beobachten, »dass sich keiner bei uns gefreut oder geärgert hat. Jubelstimmung gab es da nicht.« Denn die Mannschaft ist nach der tadellos gemeisterten Gruppenphase ins nächste WM-Stadium eingetreten, das unter dem Motto steht: Wir nehmen jetzt einfach, was kommt. England, Schweden, was soll's. »Mir ist das egal«, sagt Bundestrainer Jürgen Klinsmann.
Die lapidare Definition vom Achtelfinale und den weiteren K.o.-Runden geht so: Wer Weltmeister werden will, muss alles wegputzen. Außerdem gehört die Unterstellung »leichter Gegner« von jetzt an abgeschafft. Das gilt auch für Schweden.
DFB-Spion Urs Siegenthaler brachte vom 2:2 gegen England die neuesten Erkenntnisse über die Skandinavier mit, die natürlich nicht die einzigen sind. »Wir haben alle Spiele von ihnen beobachtet. Wir haben ein Profil angelegt und sind informiert«, sagte Klinsmann. Die Schweden stecken sozusagen im deutschen Laptop, aber solche moderne Formen der Vorbereitung nutzt auch der Gegner. Große Geheimnisse gibt es da nicht einmal mehr bei Deutschland, weil Klinsmann die äußerst ausgeprägte Versuchsreihe bei der Auswahl seines Personals nun offenkundig für beendet erklärt hat.
Deswegen könnte jetzt die etwas andere Schwarz-Rot-Gold-Stimmung im Team ausbrechen. Gold - das ist die Stammelf. Schwarz sehen die Reservisten. Und rot vielleicht bald jene, die fürchten, vollkommen auf der Hinterbank zu verschwinden. Klinsmann erkennt noch kein Konfliktpotential, ihm ist aber klar, »dass wir uns auch um die Spieler kümmern müssen, die noch nicht so zum Zug gekommen sind«. Seine Signale in den Gruppenspielen waren aber deutlich. Es gibt beim Anpfiff eine erste Mannschaft, und da reinzukommen, ist ziemlich schwer.
Nur Robert Huth durfte für den am Knie verletzten Christoph Metzelder verteidigen. Es blieb trotz stundenlangen Nachdenkens der DFB-Trainer über den einen oder anderen Tauschhandel der einzige Wechsel. Da handelte Luis Suarez ganz anders: Ecuadors Fußball-Lehrer würfelte seine Formation kräftig durcheinander. Er hatte damit schon vor dem Gruppenfinale den Verzicht auf den Sieg unterschrieben.
Die Südamerikaner wirkten wenig ambitioniert, verschleppten das Tempo und kapitulierten schnell. Sie waren in dieser Verfassung schlicht kein Maßstab. Klinsmann und sein Assistent Joachim Löw benötigten nicht lange, um dies zu erkennen: »Wir haben recht schnell eingeschätzt, welche Qualität das Spiel hatte. Suarez hat vier wichtige Spieler rausgelassen, die haben sich geschont. Das sehen wir ganz realistisch.«
Aus dieser Einsicht resultierte Klinsmanns Aufruf an die eigene Mannschaft und die unbremsbaren Euphoriker im Land, jetzt bloß nicht auszuflippen. Wer es in diesem Turnier wirklich weit bringen will, muss eine Menge mehr im Repertoire haben, als Ecuadors B-Auswahl zu stoppen.
»Unser Trainer passt schon auf, dass wir nicht den Boden unter den Füßen verlieren«, versichert Arne Friedrich, der sich auf Klinsmanns Kunst verlässt, seine Pferdchen zwar gern laufen, bei Bedarf allerdings auch im Zaum zu halten. Denn so komisch das nach drei Siegen bei dieser Weltmeisterschaft klingt: Gewonnen ist nichts. Damit wollen die Deutschen aber jetzt anfangen.

Artikel vom 22.06.2006