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Anlieger haben den Kanal voll

Interessengemeinschaft Dichterviertel will nicht an das Regenwasserkanalnetz

Von Per Lütje (Text und Fotos)
Löhne (LZ). Kurt Quernheim argumentierte, appellierte, schmeichelte und musste am Ende doch resignieren. Denn eines, das schaffte er nicht: Die Anlieger des Ostscheider Dichterviertels von der Notwendigkeit eines Regenwasserkanals in der Wohnsiedlung und dem gleichzeitigen Straßenendausbau zu überzeugen. Mehr als 100 betroffene Bürger waren Freitagabend der Einladung zur Anliegerversammlung ins Rathaus gefolgt, und die hatten ganz andere Vorstellungen als die Löhner Verwaltung.

Im Vorfeld der Versammlung hatten sich die Anlieger der Theodor-Storm-Straße, Heinrich-Heine-Straße, Thomas-Mann-Straße, Bertolt-Brecht-Straße, Erich-Kästner-Weg, Droste-Hülshoff-Straße und In der Flage in einem Brief an Bürgermeister Kurt Quernheim gewandt, der von 110 Ausbaugegnern unterschrieben war. Darin wirft die Interessengemeinschaft Dichterviertel der Verwaltung vor, keinerlei Bemühen erkennen zu lassen, die Interessen der betroffenen Bürger bei der Entscheidungsfindung zu erfragen und zu berücksichtigen. »Warum werden keine Alternativen zu dem teuren Vorhaben aufgezeigt?«, fragte Sprecher Michael Teske die Verwaltung, die neben dem Bürgermeister durch Mitarbeiter der Wirtschaftsbetriebe Löhne an diesem Abend vertreten war.
Die Stadt argumentierte mit geltendem Landesrecht, wonach eine Kommune dafür zu sorgen habe, dass das Regenwasser ordentlich abgeleitet werde. Zudem sei die aufgestellte Planung für den Bereich Ostscheid bereits im Februar 2001 von der Bezirksregierung genehmigt worden. »Dass im Zuge der Kanalarbeiten auch die Straßen endausgebaut werden, machen wir, weil es günstiger ist«, versuchte Egon Nagel von den WBL um Verständnis zu werben.
Das bekam er von den Anliegern jedoch nicht. »Die Straßen sind doch in einem sehr guten Zustand. Es macht doch keinen Sinn, intakte Straße zu zerstören und für viel Geld Luxusstraßen herzurichten«, warf Teske der Verwaltung vor. Der 40-Jährige hatte ausgerechnet, dass auf jeden Anlieger - je nach Grundstücksgröße - zwischen 5 000 und 20 000 Euro Kosten zukommen. »Es wird über Geld verfügt, was ich im nächsten Jahr haben muss und werde nicht einmal zu dieser Versammlung eingeladen. Da müssen Sie sich nicht wundern, dass es Theater seitens der Anlieger gibt«, ärgerte sich Teske, dass nur jene Bürger eingeladen worden waren, die vom ersten Bauabschnitt im nächsten Jahr betroffen sind.
Die Wirtschaftsbetriebe verwiesen ihrerseits darauf, dass sie bereits große Probleme mit Aufsichtsbehörden hätten, weil in die Kläranlage zu viel Fremdwasser sei - sprich zuviel Regenwasser gerät in die Abwasserkanalisation. Günther Fitzner, Anwohner der Thomas-Mann-Straße, warf der Stadt Flickschusterei vor. Seiner Meinung nach wären die Probleme mit Regenwasser, dass in die Kanalisation fließe, hausgemacht. Das sah auch Michael Teske so: »Es gibt kostengünstige Wege, das Oberflächenwasser so abzuleiten, dass es nicht in der Kläranlage landet.« Dies könne zum Beispiel durch eine leichte Erhöhung der Gullydeckel erreicht werden, wie es an manchen Stellen bereits praktiziert werde. »Außerdem könnte man kleine Gräben entlang der Straßen langführen, wo das Wasser kontrolliert in den Börstelbach geleitet werden kann«, zeigte der Interessengemeinschaftssprecher eine weitere Alternative auf.
Neben der Sanierung ihrer Straßen sahen es viele Anlieger auch nicht ein, an das Kanalnetz angeschlossen zu werden. »Ich wohne am Sonnenbrink und fange das Regenwasser seit 35 Jahren auf meinem Grundstück auf, ohne dass davon etwas in die Kläranlage gelangt. Ich habe damals für viel Geld Sickergruben angelegt. Der Sand in diesem Gebiet ist so durchlässig, dass das Wasser sehr leicht im Boden versickert. Das hat doch 35 Jahre hervorragend geklappt«, meinte Herbert Heidenreich.
»Die Straßen werden nicht besser dadurch, dass Wasser auf ihnen steht. Fakt ist, dass es hier kaum Gräben gibt. Wir sprechen von einem Gebiet von zehn Hektar Größe, in dem es nur zwei Gullys gibt. Das ist alles andere als ausreichend«, appellierte Nagel.
Nach zweistündiger Diskussion zog Kurt Quernheim die Reißleine und beendete die Anliegerversammlung. Er versprach, dass das Thema in der kommenden Ratssitzung am Mittwoch, 21. Juni, noch einmal auf die Tagesordnung kommen wird.

Artikel vom 19.06.2006