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In Deutschland darf und soll
gefeiert werden - aber sicher!

Polizei ist keine Partybremse - Instrumenten-Streit in Hannover - NPD-Aufruf

Bielefeld (WB/dpa). Mit Freude hatten die Schweizer Fans die Entscheidung der FIFA aufgenommen, ihre landestypischen Kuhglocken zum Spiel im Dortmunder Stadion gegen Togo mitnehmen zu dürfen.

Denn der zwanghafte Verzicht auf Instrumente zur Unterstützung der Mannschaft hat bei den Anhängern vielerorten zu Missstimmung geführt. So mussten in Hannover angolanische Fans vor der Partie gegen Mexiko haufenweise Trompeten am Eingang abgeben. Für die Südwestafrikaner bedeutete das gleichzeitig den Verzicht auf einen Teil ihrer Kultur. Die Mischung aus Wut, Unverständnis und Enttäuschung war nachvollziehbar.
Mexikanische Schlachtenbummler hatten zur selben Partie riesige Block-Fahnen mitgebracht, die mit dem Hinweis auf Sichtbehinderung ebenfalls draußen blieben. Immerhin: Die FIFA hat an den Stadien Container eingerichtet, in denen die Gegenstände deponiert und nach der Begegnung wieder abgeholt werden können.
Morgen spielt Angola in Leipzig gegen Iran. Auch diese Partie steht unter einem besonderen Sicherheitsaspekt. Im Internet gibt es Aufrufe der NPD zu Aufmärschen in der Stadt. Eine offizielle Anmeldung gibt es nach Angaben der Behörden aber nicht. Zudem sind Demonstrationen gegen das iranische Regime angemeldet. Die Polizei stockt ihre Kräfte morgen auf 1800 bis 2000 Beamte auf. Sachsens Polizeipräsident Klaus Fleischmann sagte: »Wir sind gewappnet.« Und Innenminister Albrecht Buttolo sprach von der höchsten Sicherheitsstufe.
Nach Angaben des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke haben die drei WM-Lagezentren die Hooligan-Szene und die NPD sowie deren Sympathisanten genau im Blick. Im Osten Deutschlands und Berlins gebe es keine Gebiete, die wegen der Gefahr rechtsextremistischer Übergriffe gemieden werden müssten. »Die Präsenz der Polizei in Deutschland war noch nie so dicht wie während dieser WM, bei der 260 000 Sicherheitskräfte im Einsatz sind. Da kann man von No-Go-Areas doch überhaupt nicht sprechen.« Eine Gefahr durch den internationalen Terrorismus sieht Ziercke nicht. Er sei fest überzeugt, dass es friedliche Spiele bleiben werden.
Dagegen hält der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) das spezielle WM-Konzept der Stadionsicherheit für gescheitert. Anders als geplant, gibt es in den Stadien nur stichprobenartige Identitätskontrollen, ob Karteninhaber und -käufer identisch sind. Vor dem heutigen Spiel Deutschland gegen Ecuador forderte der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen: »Die Sicherheitsvorkehrungen in Berlin müssen nachgebessert werden. Offensichtlich lässt sich in dieses Stadion alles hineinschmuggeln. Entweder man kontrolliert richtig, oder man lässt es gleich sein.« Beim Berlin-Spiel Brasilien gegen Kroatien waren auf den Rängen verbotene bengalische Feuer entzündet worden. Zudem hatte ein angetrunkener Kroatien-Fan das Spielfeld gestürmt.
Probleme in der Hauptstadt, doch ganz NRW ist in Partylaune. Auch die Polizei teilt die Freude der Fans und hat keinesfalls etwas gegen spontane Feiern. Vor Straftaten und groben Verkehrsverstößen werden die Beamten ihre Augen aber nicht verschließen. Diese Erfahrung mussten bereits zwei Autofahrer in Velbert machen, die mit ihren Cabriolets nach dem gewonnenen Deutschland-Spiel am Freitag einen Autokorso anführen wollten und dabei das Rotlicht einer Kreuzung missachteten. Kradfahrer der Velberter Polizei konnten gerade noch verhindern, dass andere Fahrzeuge diesem Beispiel folgten. Die Quittung: 125 Euro Bußgeld, vier Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot.

Artikel vom 20.06.2006