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Titel-Therapie stärkt Rasen-Titan

Vierter Streich: Roger Federer schüttelt in Halle sein Nadal-Trauma ab

Von Alexander Grohmann
Halle (WB). Die Rasen-Therapie hat angeschlagen. Frustriert und ausgebrannt nach der Final-Pleite bei den French Open kam Roger Federer vor einer Woche in Halle an. Mit einem Lächeln im Gesicht und dem vierten GWO-Titel im Gepäck reiste der Schweizer gestern ab.

Ohne Umweg lief nach einer Woche voller Überstunden aber auch das Finale gegen den Tschechen Tomas Berdych nicht ab: Beim 6:0, 6:7 (4) und 6:2-Erfolg gab Federer nach Traumstart im zweiten Durchgang eine 5:3-Führung aus der Hand. »Ich hätte das Match 6:0, 6:3 gewinnen sollen, aber ich habe es ein bisschen versaut.« Letztlich ging es gut -Êwie so oft in den voran gegangenen Rasen-Runden.
Ein glatter Sieg hätte auch nicht zu seiner Halle-Bilanz 2006 gepasst. Mehr musste sich Federer noch nie für einen GWO-Titel quälen. Vier Mal ging es für den Schweizer über die volle Distanz. Letztlich konnte Federer, der im Viertelfinal-Thriller gegen Olivier Rochus vier Matchbälle »überlebt« hatte, alle Attacken abwehren und damit nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Konditionstrainer Pierre Paganini überraschen.
Der hätte den vierten Turniersieg seines Schützlings in Halle fast verhindert. »Er wollte nicht, dass ich hier starte«, erzählte der 24-Jährige nach dem Sieg in seinem 15. Finale in Folge auf der Tour. Die vorangegangenen Strapazen in Paris mit der Finalpleite gegen Rafael Nadal und die kurze Vorbereitungszeit hatten Paganini zweifeln lassen. Federer hörte aber nicht auf den gut gemeinten Ratschlag und behielt Recht. Dafür hatte er im Laufe der Woche ein ums andere Mal Paganini an der Strippe. »Er hat mich nach jedem Sieg angerufen. Er konnte nicht fassen, dass ich immer wieder durchgekommen bin.«
Den größten Ausschlag gab das sagenhafte Nervenkostüm der Nummer eins, die alle ausweglos scheinenden Situationen im Lauf der Woche überstand. »Die Auslosung war sehr hart für mich. Ich habe mich mit dem Titel selbst überrascht. Das ist ein großer Moment in meiner Karriere.«
Der 20-jährige Berdych sah im ersten Satz kein Land und suchte nach der Demütigung in nur 16 Minuten schnell das Weite. »Roger hat mich überrollt. Es ging alles so schnell«, meinte der Herausforderer, der nach einer Toilettenpause besser ins Spiel fand und vor 11 500 Zuschauern in dem ersten Rasen-Finale seiner Karriere eine bessere Figur machte.
Federer sieht sich nach dem überwundenen Paris-Trauma bestens gerüstet für das Tennis-Mekka. Halle war das optimale Ablenkungsmanöver: »Das Turnier tat mir sehr gut. Ich musste nicht länger an die Niederlage gegen Nadal zurück denken.« Die Chancen, dass er im nächsten Jahr wieder hier zu sehen ist, sind gut. »Ganz genau kann man das nie sagen, aber ich würde gerne wiederkommen.« Halle ist schließlich ein gutes Pflaster für Federer. In diesem Jahr war es zugleich ein willkommenes Trostpflaster.

Artikel vom 19.06.2006