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Tok bricht Zeh und holt Bronze

Taekwondo: Zehn Kobra-Kämpfer ergattern neun Medaillenplätze

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Zehn Kämpfer auf der Matte aufgeboten, neun Treppchenplätze ergattert: Mit dieser feinen Ausbeute für Gastgeber Kobra Bielefeld bei den Offenen Meisterschaften der Nordrhein-Westfälischen Taekwondo Union (NWTU) zeigte sich Chefcoach Yilmaz Helvacioglu aber nur bedingt zufrieden. Denn lediglich Emrah Singil bei den Herren stand am Samstag ganz oben auf dem Siegerpodest.

Wenn die spitze Faust als »Bam jumok« bezeichnet wird, es sich bei einem »Ch'a olligi« um einen Beinschwung handelt und ein zweifacher Fußtritt im Sprung besser bekannt ist als »Dubaldangsang«, dann ist ohne Frage von Taekwondo - wörtlich übersetzt: Fuß-Faust-Weg - die Rede. Von derlei koreanischem »Fachchinesisch« war am Samstag in der Sporthalle Rosenhöhe 2 reichlich zu hören. Mehr als 200 Taekwondoka aus 47 Vereinen aus NRW (mit rund 16 500 Aktiven der größte Landesverband), Niedersachen und Hessen ermittelten ihre Sieger. Die drei Kampfflächen waren eigens aus Mülheim hertransportiert worden, wo am Donnerstag noch die Ruhr-Olympiade stattgefunden hatte.
»Pae« (Verloren) kam am Samstag nicht allzu häufig vor im Wortschatz der Kobra-Kämpfer, die die viertgrößte Delegation stellten. Dafür umso öfter »Hong Song« (Sieger rot!). Beispiel Umut Tok: Aufgrund ausgedehnten Krafttrainings hatte er allerhand Muskelmasse aufgebaut und brachte nun 60,6 Kilogramm auf die Waage. Nun wollte Tok in der neuen Gewichtsklasse -62 kg seinen Vorjahressieg aus der Klasse bis 58 kg zu gerne wiederholen.
Doch der 20-Jährige startete mit einem großen Handicap. »Gebrochen«, deutete er mit finsterem Blick auf seinen rechten Zeh, der von Dr. Bayyurt dick eingetaped worden war. »Das hat eine Viertelstunde gedauert«. Das Malheur passierte vor zwei Wochen beim Ostwestfalencup und löste bei Tok ein Déjà vû aus. »2005 war's genau so. Damals war mir vom linken Fuß ein Zehennagel abgefallen«.
Die Konsequenz im Vorjahr wie am Samstag: Tok konnte zwei Wochen lang nicht richtig trainieren und hatte kein Vertrauen zu seiner Kondition. »Es war kein vernünftiges Sparring möglich«. Der Kobra-Mann (»Wenn ich nicht mindestens fünf Mal in der Woche trainieren, komme ich damit psychisch nicht klar, dann bin ich schlecht drauf«) stellte sich am Samstag unter einen großen Druck. »Ich bin noch nicht mal im Landeskader. Alles hängt von diesem Turnier ab. Ich werde beißen«, wollte er mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen.
Gleich in seinem ersten Kampf zog sich der Pechvogel eine blutende Wunde an der rechten Hand zu, die Dr. Bayyurt flugs versorgte. Tok kämpfte unverdrossen weiter, siegte am Ende mit 8:6. »Dieser Wettkampf war wieder eine wertvolle Erfahrung für Umuts Werdegang«, sagt Yilmaz Helvacioglu. Für die Zukunft ist Tok eh nicht bange. »Ich werde immer versuchen, das in die Waagschale zu werden, was in mir steckt. Mal gucken, wo das dann hinführt«.
Sie heißen Anton Stolz (derzeit bei der Bundeswehr), Umut Tok, Sezai Gören oder Erdal Gören: Ehe Kobra Bielefeld aber wieder Olympia- und Weltmeisterschaftsteilnehmer stellen kann, wird gewiss noch einiges Wasser die Lutter hinunter fließen. Cheftrainer Yilmaz Helvacioglu, der frühere Welt- und Deutsche Meister, hat seine Kaderschmiede entsprechend auf eine breitere Basis gestellt. »Nur aus einer vernünftigen Breite kann sich auch eine Spitze entwickeln. Es sind Talente mit Potenzial da, aber sie brauchen Zeit, um nach oben zu kommen. Die Begabtesten werde ich mir 'rauspicken«.
Eine junge Besucherin schaute ganz aufmerksam hin: Silke Bode (22), Sportwissenschaftlerin von der Universität Bielefeld, schreibt ihre Bachelor-Arbeit über »Inte-gration von Migranten im Sport«. Ihr Forschungsobjekt: Der Verein für Kampfkunst Kobra Bielefeld. Der bekam für seine Gastfreundschaft wieder Lob von allen Seiten. Tenor der Kämpfer: »Wir haben uns wie zu Hause gefühlt«.
Die Kobra-Ergebnisse:
Herren: 2. Ümit Firinci (+84 kg), 3. Sezai Gören (-84 kg), 3. Erdal Gören (-67 kg), 3. Umut Tok (-62 kg), 1. Emrah Singil (-58 kg).
Jugend A männlich: 1. Nijaz Hukic (+78 kg, kampflos), 2. Roman Jerrentrup (-78 kg), 2. Attila Kilic (-48 kg), ohne Platzierung Ebrima Leigh (-59 kg), 3. Yildirim Yildiz (-55 kg).

Artikel vom 19.06.2006