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Janas vor der Ablösung

Gruppe A: Aus - Polen sucht jetzt einen neuen Trainer


Barsinghausen (WB/klü). In Dortmund hatten sie auf dem Platz verloren und sich lange gewehrt. Am Tag danach saßen sie im Fernsehsessel und mussten bei der zweiten Niederlage tatenlos zuschauen. 0:1 gegen Deutschland. 3:0 für Ecuador gegen Costa Rica. Das war's, Polen. In ihrem Quartier in Barsinghausen im Gilde-Sporthotel »Fuchsbachtal«, verfolgten die Spieler die Hamburger Partie. Schon nach dem ersten Tor für Ecuador wusste Ebi Smolarek: »Das wird nichts mehr, wir sind raus aus dem Turnier.«
Auch der polnische Trainer sitzt demnächst draußen vor der Tür. Die Sympathiewerte des Pawel Janas waren schon vor dem WM-Anpfiff nahe am Nullpunkt, aber jetzt ist er beim Verband, den Fans und den meisten Spielern endgültig unten durch. Janas weiß, dass er in Kürze abgelöst wird. Sein Vertrag läuft aus, und zur Verlängerung besteht kein Anlass. Verbandspräsident Michal Listkiewicz kündigte an: »Wir wollen eine neue Richtung einschlagen.«
Der Wegweiser soll schon feststehen: Ex-Nationalspieler Henryk Kasperczak (59) gilt als Favorit. Der gescheiterte Janas, ansonsten ein knochenharter, unterkühlter Typ, hatte nach der Niederlage in Dortmund tatsächlich Tränen in den Augen: »Ich fühle mich schrecklich.«
Dabei hatte seine Mannschaft gar nicht so schrecklich gespielt, hielt zumindest eine Stunde lang die Partie offen. »Aber nach der gelb-roten Karte für Radoslaw Sobolewski befürchtete ich schon: Jetzt bekommen wir noch ein Tor. Wir wurden immer müder, sind dann beim 0:1 eingeschlafen und haben den entscheidenden Abwehrfehler gemacht.«
Ebi Smolarek räumte den Platz mit hängenden Schultern. Der BVB-Profi kritisierte: »Einige unserer Spieler haben einfach nicht genug Selbstvertrauen. Außerdem ist der Qualitätsunterschied zwischen der Bundesliga und der polnischen ersten Kicker-Klasse schon gewaltig. Der Sieg der Deutschen geht in Ordnung. Aber wir haben sie lange gefordert. Wir müssen uns nicht schämen.«
Alles gegeben, auch wenn es zu wenig war. Daran zogen sich die am Boden liegenden Polen wieder hoch. Arkadiusz Radomski stellte fest: »Wir haben uns gut verkauft.« Maciej Zurawski klopfte sich ebenfalls selbst auf die Schulter: »Wir können stolz sein.«
Das vielleicht nicht gerade, aber mit ihrer engagierten Vorstellung haben sie auch die verärgerten Fans und Medien in der Heimat milde gestimmt. Als »Dorftruppe« wurden sie schon verspottet, jetzt urteilte die »Gazeta Wyborcza« nach dem WM-Aus: »Spiel verloren - Ehre gerettet.« Zum Abschluss will Janas wenigstens das Verlierer-Duell am Dienstag gegen Costa Rica gewinnen: »Das sind wir unseren Fans schuldig.«

Artikel vom 17.06.2006