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Vier Pinselstriche kosten mehr

Ruhm der blauen Schwerter - Meissen und seine Porzellanmanufaktur

Von Jörg Schurig
Meissen (dpa). Vier kleine Pinselstriche bedeuten den Ruhm. Wenn Kathrin Horn Meissener Porzellan mit dem Markenzeichen der gekreuzten Schwerter veredelt, sind die Stücke noch nicht fertig.
Spricht für Qualität: gekreuzte blaue Schwerter.

Das so genannte Schwertern erfolgt nach dem ersten Brand auf der Unterseite des unglasierten Materials. Die kobaltblaue Farbe wirkt zu diesem Zeitpunkt dunkelgrün und zieht sofort ein. Erst beim Glattbrand zwischen 1300 bis 1400 Grad werden die Schwerter blau. Kathrin Horn und ihre Kollegin Katja Schwarzbach haben als »Schwerterinnen« einen weltweit einmaligen Beruf. »Klar bin ich stolz darauf, schließlich geht fast jedes Stück der Manufaktur durch meine Hände«, sagt die 39 Jahre alte Porzellanmalerin Horn: »Ich bin mit Leib und Seele Schwerterin.« 15 Sekunden sieht die Norm für einmal »Schwertern« vor, 240 Stücke werden in einer Stunde gezeichnet.
Die gekreuzten Schwerter der Meissener Manufaktur gelten als weltweit älteste Marke in ständigem Gebrauch. 1722 zierten sie erstmals die Porzellane der Manufaktur. »Der Vorschlag stammte vom idamaligen Inspektor Johann Melchior Steinbrück. Da zu einer Manufaktur in Wien Konkurrenz entstanden war, sollten die Stücke aus Meissen unverwechselbar sein«, erzählt Geschäftsführer Hannes Walter. Die Schwerter selbst waren dem kursächsischen Wappen entlehnt.
»Sie in Unterglasur zu malen, war eine geniale Idee. Damit ist die Marke zugleich geschützt, Kopien sind nur schwer machbar«, sagt der Chef. Auch wenn Marken-Piraterie im 18. Jahrhundert nicht die große Rolle spielte, mussten die Sachsen mit ihrer Erfindung des ersten europäischen Porzellans behutsam umgehen. Immer wieder gab es Verbote des Sächsischen Hofes, den Ausgangsstoff Kaolin außer Landes zu schaffen. Illegale Exporte standen unter Strafe.
Im Laufe der Zeit änderten die Schwerter ihr Aussehen. Bei einigen Versionen der Frühzeit ist ein Punkt zwischen den Griffen zu sehen, auch Buchstabenkombinationen gab es. Als Camillo Graf Marcolini 1774 die Manufaktur als Direktor übernahm, ließ er unterhalb der Schwerter noch einen Stern als Zierde aufmalen. Die heute übliche Schwerterform stammt von 1934.
Wenn die Gekreuzten Schwerter bei Auktionen auftauchen, muss der Bieter gewöhnlich tief in die Tasche greifen. Der Kurs für das »Weiße Gold« steigt, die »Porzellan-Währung« ist härter als der Euro. »Viele sehen in Meissener eine Wertanlage«, sagt Unternehmenssprecherin Gundela Corso.

Artikel vom 17.06.2006